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Foto: Andreas Oehme

"Die Handwerkskammern sind offen, alle möglichen Wege mitzugehen"

Das Handwerk unterstützt die Ausbildung in Teilzeit

Interview mit dem Geschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertag (WHKT), Andreas Oehme, zur Teilzeitberufsausbildung im Handwerk in NRW

ARBEIT.NRW: Herr Oehme, welche Rolle spielt die Teilzeitberufsausbildung im nordrhein-westfälischen Handwerk? Wie unterstützt der WHKT die Kammern bei der Umsetzung?

Andreas Oehme: Als WHKT haben wir schon immer Teilzeitberufsausbildungen unterstützt und seit 2005 gibt es dazu auch die gesetzliche Grundlage. Als Dachverband und Partner im Ausbildungskonsens NRW kümmern wir uns um alle Themen rund um die berufliche Ausbildung, dazu gehört auch die Ausbildung in Teilzeit. Zunächst ging es vor allem um die Abstimmung mit dem Kammern, damit die Teilzeitberufsausbildung landeseinheitlich und nicht von Kammerbezirk zu Kammerbezirk unterschiedlich umgesetzt wird.

Über das Projekt Starthelfende Ausbildungsmanagement, gefördert vom NRW-Arbeitsministerium, haben wir schließlich gemeinsames Informationsmaterial entwickelt und einheitliche Rahmenbedingungen festgelegt. Längere Diskussionen gab es über die wöchentlichen Ausbildungszeiten, denn die Ausbildung in Teilzeit soll ja grundsätzlich nicht verlängert werden. Wir gehen jetzt von einer regelmäßigen, wöchentlichen Arbeitszeit einschließlich des Berufsschulunterrichts von mindestens 25 Wochenstunden oder 75 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit aus.

Die Handwerkskammern sind offen, alle möglichen Wege mitzugehen. Sie wirken an der Umsetzung mit und beraten zu den verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten. Dabei zeigt sich immer wieder, dass gerade die Teilzeitberufsausbildung in den Betrieben und bei den möglichen Auszubildenden wenig oder gar nicht bekannt ist. Ich denke, das ist der Hauptgrund für die geringe Anzahl dieser Ausbildungsverhältnisse. Wer sagt, das geht nicht, dem fehlt in erster Linie die Information. Es fehlt aber auch an mehr Vorbildern und erfolgreichen Praxisbeispielen, an denen sich Betriebe orientieren können.

ARBEIT.NRW: Wo findet im Handwerk Teilzeitberufsausbildung statt, für welche Betriebe „passt“ diese Ausbildungsform?

Andreas Oehme: Überdurchschnittlich viele Ausbildungen in Teilzeit haben wir in den Handwerkskammerbezirken Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld und Düsseldorf. Insgesamt wird im Handwerk in NRW in 25 verschiedenen Berufen in Teilzeit ausgebildet, Schwerpunkte sind Friseur/in, Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk und Bürokaufleute. In mehreren Kammerbezirken gibt es Teilzeitausbildungen im Beruf Tischler/in, Augenoptiker/in, Orthopädieschuhmacher/in oder Konditor/in. Wir haben darüber hinaus eine breite Palette von Berufen, die in Teilzeit nur in einem Kammerbezirk ausgebildet werden, vom Automobilkaufmann oder Vergolder bis zum Metallbauer oder zur Bestattungsfachkraft.

Teilzeitberufsausbildung gibt es nach unseren Erfahrungen eher nicht in den Berufen, wo der Einsatz beim Kunden direkt vor Ort notwendig ist, etwa in den Bauberufen. Meistens sind es Berufe, die in eigener Werkstatt oder im eigenen Geschäft stattfinden und mehr organisatorische Flexibilität ermöglichen. Augenoptiker beispielsweise sind es gewohnt, allein wegen der Ladenöffnungszeiten mit Teilzeitmodellen zu arbeiten. In diesem Beruf gibt es daher eher eine Affinität zur Teilzeitberufsausbildung und kann leichter in die Arbeitsabläufe des Betriebs integriert werden als etwa bei einem Installateur mit vielen Außenterminen. Auch ergeben sich sinnvolle Anknüpfungspunkte in Betrieben, die ihr Büro nur Teilzeit besetzt haben und deshalb bislang nie auf die Idee gekommen sind, dort Bürokaufleute auszubilden.

Generell ist mein Eindruck, dass die Betriebe über einige Ausbildungserfahrung verfügen sollten, bevor sie sich auf eine Ausbildung in Teilzeit einlassen. Schließlich ist es doch für alle Beteiligten eine gewisse Hürde, zum Ziel zu gelangen, einfach deshalb, weil weniger Zeit für den gleichen Lernstoff zur Verfügung steht.

ARBEIT.NRW: Inwieweit sehen Sie in der Teilzeitberufsausbildung eine Möglichkeit, dem wachsenden Fachkräftebedarf zu begegnen und neue Zielgruppen für das Handwerk zu erschließen?

Andreas Oehme: Für NRW sehe ich diese enge Verknüpfung von Fachkräftemangel und Teilzeitberufsausbildung jetzt nicht, bestenfalls in zehn, 15 Jahren. Abgesehen von wenigen Branchen und einigen Regionen fehlt es im Handwerk derzeit weniger an Fachkräften als an geeigneten Bewerbern und Bewerberinnen. Für Betriebe ist es vor allem eine gute Möglichkeit, ein Ausbildungsverhältnis, das wegen Schwangerschaft unterbrochen werden muss, fortzuführen oder wieder aufzunehmen. So gehen für beiden Seiten die schon getätigten Investitionen in Ausbildung nicht verloren.

Insgesamt gehe ich davon aus, dass die Anzahl der Teilzeitberufsausbildungen verhältnismäßig klein bleiben wird, nicht zuletzt weil für die Gruppe der Alleinerziehenden, die in erster Linie damit angesprochen wird, die Rahmenbedingungen nicht passen.

Ein Schlüsselbereich ist dabei sicherlich die Finanzierungsfrage, also wie kann der Lebensunterhalt während der Ausbildung so gesichert werden, das man auch als kleine Familie davon leben kann. Letztlich bräuchte man eine verantwortliche Anlaufstelle, um alle Anträge zur Sicherung des Unterhalts einzureichen. Angesichts der Probleme gerade in dieser Zielgruppe ist es gut, dass Programme wie TEP eingreifen und Unterstützung und Starthilfe anbieten.

Zusammen mit dem NRW-Arbeitsministerium sondieren wir gerade die Lage, um Teilzeitberufsausbildung stärker für weitere Zielgruppen aufzuschließen, die, ähnlich den Alleinerziehenden und wie im Gesetz formuliert, ein „berechtigtes Interesse“ an Teilzeitausbildung haben.