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Foto: Mitarbeiter der AT Zweirad GmbH

Traditionsunternehmen integriert Menschen mit Behinderung in die Produktion von hochwertigen Fahrrädern

AT Zweirad GmbH in Altenberge beschäftigt über eine Integrationsabteilung behinderte Menschen – Qualitätsprodukte und soziale Verantwortung

Schwerbehinderte Menschen lassen sich in Arbeitsprozesse auch dann integrieren, wenn es um die Herstellung hochwertiger Produkte geht. Das beweist das Traditionsunternehmen AT Zweirad GmbH in Altenberge. Finanziell unterstützt wird die Beschäftigung der schwerbehinderten Menschen unter anderem über das NRW-Landesprogramm „Integration unternehmen!“. Die Fahrradmanufaktur setzt auf Qualität und soziale Verantwortung.

„Integration unternehmen!“ - Traditionsunternehmen beschäftigt Menschen mit Behinderung

Qualität und Individualität - das zeichnet die Produkte der AT Zweirad GmbH seit über 50 Jahren aus. Die mehr als 10.000 verschiedenen, auf Kundenwunsch maßgeschneiderten „Custom-made-Fahrradmodelle“ des Altenberger Traditionsunternehmens haben auch international einen guten Ruf. Wegen des hohen Anteils hochspezialisierter handwerklicher Arbeit sieht Geschäftsführerin Edith Beglet-Thiemann ihr Unternehmen „eher als Manufaktur denn als Industriebetrieb“.
Wirtschaftlicher Erfolg und die Übernahme sozialer Verantwortung schließen sich für die Unternehmerin nicht aus. Im Gegenteil! Deshalb sind unter den rund 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ihrer Firma auch 18 schwerbehinderte Menschen zu finden, darunter psychisch Kranke, Gehör-und Sprachlose sowie Menschen, die unter Depressionen oder motorischen Störungen leiden.

Sorgfältige Personalauswahl

Sie alle arbeiten täglich gemeinsam mit den nicht behinderten Beschäftigten in der Produktion, im Lager oder im Versand - „mit regulärem Vertrag und Sondervergütungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld“, wie Edith Beglet-Thiemann betont. Zu ihren Arbeitsaufgaben zählen die Gepäckträgermontage und das Verkürzen von Schutzblechstreben ebenso wie die Arbeit in der Laufradfertigung, in der Lackieranlage oder bei der Montagevorbereitung für die Pedelecs, einer nach Auskunft der Geschäftsführerin „besonders anspruchsvollen Tätigkeit“.
Um entscheiden zu können, welche Arbeiten die Menschen mit ihren sehr unterschiedlichen Behinderungen tatsächlich bewältigen können, hatten der zuständige Integrationsfachdienst - er unterstützt Menschen etwa beim Übergang aus einer Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt - sowie die Agentur für Arbeit und das Jobcenter die detaillierten Stellenausschreibungen der Firma eingehend geprüft. Nicht nur das: Sie hatten sich auch die Arbeitsprozesse und die in Frage kommenden Tätigkeiten in der Firma direkt vor Ort angesehen. Erst nach sorgfältiger Prüfung wurden unter den behinderten Menschen geeignete Kandidatinnen und Kandidaten ausgesucht.
Sie absolvierten zunächst ein mehrwöchiges Praktikum im Unternehmen. „Das ist äußerst wichtig und unbedingt empfehlenswert“, so die Unternehmerin, „nicht nur für uns als Arbeitgeber, sondern vor allem auch für die behinderten Menschen. Nur so können sie sich ein realistisches Bild von ihrer zukünftigen Tätigkeit machen und selbst entscheiden, ob diese Arbeit ihren Wünschen und Fähigkeiten entspricht.“

Angepasster Aufgabenzuschnitt

Die Festanstellung von Personen mit einer Behinderung erfordert mitunter ein paar Zusatzmaßnahmen im Unternehmen, berichtet Edith Beglet-Thiemann. Der Grund: „Einige von ihnen sind in ihren Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt oder brauchen spezielle Sitzgelegenheiten. Für unsere gehör- und sprachlosen Mitarbeiter, die akustische Warnsignale nicht hören können, mussten wir spezielle Sicherheitsvorkehrungen installieren. Zum Glück stand uns hier der Integrationsfachdienst mit professionellem Rat, aber auch mit finanzieller Unterstützung zur Seite.“
Eine weitere Maßnahme war der Neuzuschnitt der Arbeitsinhalte mancher Arbeitsplätze. Edith Beglet-Thiemann erläutert, warum: „Ein ausgebildeter Zweiradmechaniker erledigt eine bestimmte Arbeit von A bis Z. Manche schwerbehinderte Menschen können das aber nicht. Also mussten wir einige der Arbeiten in kleinere Einheiten zerlegen, so dass einzelne davon jetzt auch von Schwerbehinderten zu bewältigen sind.“
Ein Beispiel aus der Laufradfertigung zur Illustration: Für die meisten der schwerbehinderten Personen ist das so genannte Einigeln, also die Befestigung der Speichen in den Felgen, kein Problem. Schwerer tun sich manche jedoch mit der Befestigung von Ritzeln auf der Radnabe oder beim Bedienen der Pulverbeschichtungsanlage. Für das Dilemma hat die Unternehmerin rasch eine Lösung gefunden: „Wer sich nach einer Erprobung die Arbeit an der Maschine nicht zutraut oder keine Ritzel befestigen kann, bleibt eben beim Einigeln. Die anderen Arbeitsinhalte übernimmt dann einfach eine Kollegin oder ein Kollege.“ Ein Hindernis im Arbeitsprozess ist das in ihren Augen nicht: „Das ist alles nur eine Frage der richtigen Organisation.“

Berufliche Weiterbildung

Die beruflichen Qualifikationen der schwerbehinderten Beschäftigten sind denkbar unterschiedlich: Elektroniker und Techniker sind darunter genauso zu finden wie etwa eine ehemalige Krankenschwester, die ihren früheren Job aus psychischen Gründen nicht mehr ausüben konnte. Andere wiederum haben keinerlei Berufsabschluss vorzuweisen.
An der innerbetrieblichen Weiterbildung jedoch sind alle gleichermaßen beteiligt. Wenn zum Beispiel - wie aktuell - eine neue Pulverbeschichtungsanlage, eine Einspeich- und Spannmaschine oder ein zusätzliches Montageband angeschafft werden, stehen interne Schulungen an. In all diesen Fällen sind die Beschäftigten mit Behinderung immer dabei.
Weiterbildung - nicht nur fachliche - ist auch für das Führungspersonal des Unternehmens Pflicht. So haben gleich drei Abteilungsleiter an Schulungen des LWL-Integrationsamts und der Handwerkskammer teilgenommen. Hier lernten sie etwa, psychisch kranke Personen im betrieblichen Arbeitsalltag angemessen zu begleiten.

Ökonomischer und sozialer Erfolg

Tauchen bei der Beschäftigung behinderter Menschen größere Probleme auf, kann die Firma jederzeit auf die Fachkompetenz eines Mitarbeiters des Integrationsfachdienstes bauen, der auch die Gebärdensprache beherrscht. Er kommt einmal pro Woche in den Betrieb, spricht mit den schwerbehinderten Menschen über etwaige Schwierigkeiten bei ihrer Berufsarbeit oder auch im persönlichen Umfeld. Im Krankheitsfall besucht er sie bei Bedarf auch zu Hause.
Für Edith Beglet-Thiemann ist soziales Engagement seit je ein persönliches Anliegen: „Schon früh“, erzählt sie, „haben meine Eltern gesagt: Du musst dich sozial engagieren! Also habe ich in den Semesterferien meiner Studienzeit behinderten Menschen geholfen, sich auf ihr Examen vorzubereiten.“
Heute liegt ihr vor allem die Arbeitszufriedenheit ihres Personals am Herzen. „Nur mit kompetenten und zufriedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, so die Geschäftsführerin, „können wir ständig an neuen Möglichkeiten arbeiten, die produzierten Fahrräder noch komfortabler zu machen.“ So wie vor Jahren mit dem „Velo de Ville“, dem ersten Fahrrad mit nur einem zentralen Unterrohr. Damit wurden erstmals sehr niedrige Einstiegshöhen realisiert - eine Innovation, die heute bei keinem Stadt-Rad mehr wegzudenken ist. Nicht mehr wegzudenken sind auch die 18 Beschäftigten mit einer Behinderung. Sie gehören längst zum Stammpersonal des ökonomisch wie sozial erfolgreichen Unternehmens.