
„Solidarität ist eine Investition“ - Auftakt zum Europäischen Sozialfonds 2021-2027
Minister Laumann und EU-Kommissar Schmit eröffnen neue ESF-Förderphase – mehr als 600 Teilnehmende
Minister Karl-Josef Laumann zur Bedeutung des Europäischen Sozialfonds (ESF) für Nordrhein-Westfalen
Förderung der Beschäftigung und soziale Integration - das sind die übergeordneten Ziele des Europäischen Sozialfonds (ESF). Die große Bedeutung des ESF für die Arbeits- und Sozialpolitik verdeutlichte Minister Karl-Josef Laumann bei der digitalen Auftaktveranstaltung mit beeindruckenden Zahlen aus der vergangenen Förderphase: Im ablaufenden Förder-Zeitraum 2014-2020 erreichte das Land mit ESF-Mitteln und zusätzlicher finanzieller Eigenbeteiligung rund 450.000 Menschen und half ihnen bei der sozialen Integration sowie bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt.
In der jetzt beginnenden Förderphase 2021-2027 steht ein Fördervolumen von bis zu 830 Millionen Euro zur Verfügung. In seiner Eröffnungsrede wies Minister Laumann auf die anstehenden Herausforderungen, vor allem auf die zunehmende Beschleunigung von Veränderungsprozessen hin: Zog sich früher ein Strukturwandel, wie der Steinkohleausstieg, über eine ganze Generation hin, erfolgt heute etwa die digitale Transformation oder die Entwicklung zu einer klimaneutralen Wirtschaft innerhalb weitaus kürzerer Zeit.
Vor diesem Hintergrund kommt es dem Minister darauf an, mit der Förderung „Menschen zu befähigen, ohne Angst mit diesen schnellen Veränderungen umzugehen und sie mitzugestalten.“ Mit dem für Nordrhein-Westfalen typischen Sozialpartnerschaftsmodell ist das Land nach seiner Überzeugung bestens darauf vorbereitet.
Zudem hob er die bewährte Zusammenarbeit wichtiger Akteure hervor: die Bezirksregierungen und Regionalagenturen, die Wirtschafts- und Sozialverbände, die Nichtregierungsorganisationen und eine Vielzahl von Verantwortlichen aus den geförderten Projekten. „Auf dieses Partnerschaftsprinzip“, so der Minister, „setze ich auch bei der Bewältigung der Veränderungen, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen.“
Profitieren sollen von der bewährten Zusammenarbeit Unternehmen und Beschäftigte sowie „Menschen, die Unterstützung dringend brauchen“ zur Absicherung ihrer sozialen Teilhabe sowie bei der Integration in Arbeit oder Ausbildung. Viele der bisherigen und bewährten Instrumente, versprach der Minister, bleiben auch zukünftig „Grundpfeiler unserer ESF-Politik in Nordrhein-Westfalen.“
„Europäische Säule sozialer Rechte“: Umfassende Reformen der europäischen Arbeitsmärkte und Sozialsysteme
Besonders erfreulich war, dass der Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte der Europäischen Union, Nicolas Schmit, für die Veranstaltung gewonnen werden konnte. Kommissar Schmit griff das von Karl-Josef Laumann eingebrachte Wort von der „Partnerschaft“ auf und ergänzte es um die europäische Dimension. Dies sei die richtige Herangehensweise, erfolgreich und effizient, so der Kommissar: „Nur so lassen sich die besten Resultate erzielen.“
Dem Land selbst bescheinigte er tiefgreifende Erfahrungen, was gesellschaftliche Umbrüche betrifft: „Nordrhein-Westfalen weiß, was Strukturwandel heißt“. Für die nächste Zukunft sieht er „die sozial ausgewogene Erholung der Wirtschaft nach der Corona-Zeit“ als eine der größten Herausforderungen und benannte ganz konkret in der Pandemie besonders geforderte Bereiche wie die Pflege sowie besonders von der Pandemie betroffene Gruppen, darunter kleine Unternehmen, Kulturschaffende, Jugendliche oder auch Berufstätige mit Kindern und Alleinerziehende, „mehrheitlich Frauen“.
Im Weiteren zeigte sich Nicolas Schmit überzeugt, dass „der grüne und digitale Wandel einen großen Einfluss auf unseren Arbeitsmarkt hat“: Neue Berufsprofile entstehen, digitale Kompetenzen gewinnen an Relevanz. „Wir brauchen in Europa einen riesigen digitalen Kompetenzschub“, stellte der Kommissar klar.
Zugleich erinnerte er daran, dass die ESF-Mittel eng an die „Europäische Säule sozialer Rechte“ gebunden sind, eine Initiative, mit der die Europäische Kommission umfassende Reformen der europäischen Arbeitsmärkte und Sozialsysteme anstoßen will. Sie umfasst drei Kapitel mit den Überschriften „Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang“, „Faire Arbeitsbedingungen“ sowie „Sozialschutz und soziale Inklusion“.
Stellvertretend für benachteiligte Personengruppen nannte Nicolas Schmit Jugendliche, die von sich aus keinen Ausbildungsplatz finden. Sie sollen mit ESF-Mitteln auch weiterhin professionelle Unterstützung finden, denn: „Sie brauchen das, aber wir brauchen auch sie“, womit zugleich das Thema Fachkräftesicherung angesprochen war.
Gleichwertige Lebenschancen für alle
Wo und wie genau die ESF-Mittel der neuen Förderphase in Nordrhein-Westfalen zum Einsatz kommen, erläuterte bei der Auftaktveranstaltung Daniel Jansen, Leiter der ESF-Verwaltungsbehörde im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
Gleich zu Beginn seiner Ausführungen machte er deutlich, dass es keine grundsätzlich neuen Programmschwerpunkte geben wird, bestehende Schwerpunkte jedoch „den veränderten Bedingungen angepasst werden müssen“.
Einer der vier von ihm aufgeführten Schwerpunkte ist das Themenfeld „demografischer Wandel und Fachkräftesicherung“. Der prognostizierte Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung bis zum Jahr 2030 um sieben Prozent ist nicht nur ein quantitatives, sondern im Kontext alternder Belegschaften und zunehmender Digitalisierung auch ein qualitatives Problem. Deshalb unterstützt die Landesregierung mit dem Förderangebot „Potentialberatung“ Unternehmen dabei, beschäftigungsorientierte Beratung in Anspruch zu nehmen. Mit ihrer Hilfe können Unternehmen das Thema Digitalisierung unter Beteiligung ihrer Beschäftigten konstruktiv zu gemeinsamen Lösungen führen.
Bestand haben wird auch das Förderinstrument Bildungsscheck. Entwicklungsaufgabe für die Phase 2021-2027 wird sein, dieses nachfrageorientierte Angebot in der Nutzung stärker auf Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit und auf Zielgruppen mit bisher unterdurchschnittlicher Bildungsbeteiligung auszurichten.
Zweiter Schwerpunkt ist das Thema Ausbildungsmarkt. Hier ist ein starker Anstieg unbesetzter Ausbildungsplätze festzustellen, allerdings mit starken Unterschieden nach Branche, Beruf und Region. Genau deswegen, so Jansen, „muss sich Ausbildungsförderung fokussieren, wird es keine flächendeckende, sondern eine regionale Förderung von Ausbildungsplätzen geben“. Zugleich soll durch entsprechende Unterstützungsmaßnahmen der Pool jener jungen Menschen erweitert werden, die für eine duale Ausbildung in Frage kommen.
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit bilden den dritten Schwerpunkt. Trotz insgesamt positiver Entwicklungen gibt es auch hier deutliche regionale Unterschiede. Schon deshalb begrüßt die Landesregierung den europäischen „Just Transition Fund“. Mit ihm lassen sich im Rheinischen Revier und im nördlichen Ruhrgebiet in Folge der Dekarbonisierung wegfallende Arbeits- und Ausbildungsplätze zumindest teilweise ausgleichen und neue Perspektiven mit den Zukunftsthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit verknüpfen. Darüber hinaus gilt es, die eingesetzten ESF-Mittel stärker auf marginalisierte Gruppen zu fokussieren: „Manchmal wird der sozialpolitische Ansatz und die aufsuchende Sozialarbeit der erste Schritt sein bei der Heranführung an Regelsysteme, dem dann die Integration in den Arbeitsmarkt folgt.“
Der vierte Schwerpunkt umfasst das Themenfeld Inklusion und soziale Integration. Hier ist das Ziel, möglichst gleichwertige Lebenschancen für alle zu schaffen, also „auch Menschen mit Beeinträchtigungen die Normalität von Erwerbsarbeit und Ausbildung zu ermöglichen“.
Kein Potential ungenutzt zu lassen dient dabei nicht nur den einzelnen Menschen, sondern auch der Wirtschaft und der Gesellschaft insgesamt. Zum Ausdruck gebracht ist damit mit anderen Worten genau das, was EU-Kommissar Nicolas Schmit meinte, als er sagte: „Solidarität ist immer auch eine Investition.“
Videodokumentation und weitere Informationen aus der ESF-Auftaktveranstaltung
Die ESF-Auftaktveranstaltung wurde digital durchgeführt und wir stellen Ihnen die Mitschnitte der Auftaktveranstaltung zur Verfügung. Sie können sich die Mitschnitte vollständig ansehen oder ggf. einzelne Statements gezielt ansteuern, indem Sie auf die entsprechenden Links im Minutenzähler klicken.