Arbeit.Gesundheit.Soziales.
Mit Menschen für Menschen.

Person in Schutzbekleidung entfernt Schimmelpilz von einer Wand

Die Biostoffverordnung

Biologische Arbeitsstoffe sind häufig nicht sichtbar. Bei ungünstigen Bedingungen können sie sich schnell vermehren und zu einer größeren Gefährdung werden.
Um Beschäftigten und Dritte im Rahmen ihrer beruflichen Arbeit vor den Einwirkungen von Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Viren, Protozoen, etc.), bestimmten Parasiten, Zellkulturen, Transmissibler Spongiformer Enzephalopathie (z. B. BSE) und künstlichen biologischen Einheiten zu schützen, hat der Gesetzgeber die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen (Biostoffverordnung - BioStoffV) verabschiedet. Diese gilt auch für gentechnisch veränderte Mikroorganismen, Zellkulturen und Endoparasiten. Konkretisiert werden die Anforderungen der BioStoffV in den Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA).

In der Arbeitswelt können Beschäftigte in vielen Bereichen in Kontakt mit Biologischen Arbeitsstoffen kommen:
  • im Rahmen der Abwasserbehandlung,
  • bei der Entsorgung und Behandlung von Abfällen,
  • bei der Be- und Verarbeitung von Lebensmitteln (z. B. bei der Schlachtung von Hühnern oder der Herstellung von Schimmelkäse),
  • bei Tätigkeiten in der Veterinärmedizin,
  • bei Forstarbeiten,
  • bei Arbeiten in der Landwirtschaft,
  • beim Umgang mit kontaminiertem (z. B. schimmelbelastetem) Archivgut,
  • bei der Behandlung oder Pflege von Patientinnen und Patienten,
  • bei der Pflege von Säuglingen und (Klein-)Kindern,
  • bei Arbeiten in mikrobiologischen Laboratorien,
  • bei Tätigkeiten in der Versuchstierhaltung
Der Schutz vor Biostoffen bezieht sich im Wesentlichen auf den Schutz vor Infektionen, übertragbaren Krankheiten, Giften, sensibilisierenden Wirkungen und sonstigen schädigenden Wirkungen (wie z. B. krebserzeugenden Eigenschaften).

In Abhängigkeit von ihrem Infektionsrisiko werden Biostoffe in vier Risikogruppen eingestuft, wobei die Risikogruppe 1 die mit dem geringsten und die Risikogruppe 4 die mit dem höchsten Infektionsrisiko darstellt. Biostoffe, die bereits in eine Risikogruppe eingestuft sind, sind in den TRBA 460 (Pilze), 462 (Viren), 464 (Parasiten), 466 (Bakterien und Prokaryonten) und 468 (Zelllinien) aufgelistet.
Liegt bei gezielten Tätigkeiten (s. U.) keine Einstufung in eine Risikogruppe für den verwandten Biostoff vor, so hat die Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber die Einstufung vorzunehmen (§ 3 Abs. 4 Biostoffverordnung). Die Einstufungskriterien sind in der TRBA 450 „Einstufungskriterien für Biologische Arbeitsstoffe“ beschrieben (TRBA 450).
Über das Infektionsrisiko hinaus sind auch sensibilisierende und toxische Eigenschaften sowie sonstige die Gesundheit schädigende Wirkungen der Biostoffe zu berücksichtigen, da diese unabhängig von der Risikogruppe des Biostoffes sind (TRBA 406).
Die Biostoffverordnung unterscheidet zwischen gezielten und nicht gezielten Tätigkeiten der Beschäftigten. Bei gezielten Tätigkeiten ist der Biostoff namentlich bekannt, die Tätigkeit ist auf den Biostoff ausgerichtet (z. B. Anzucht von Reinkulturen) und die Exposition der Beschäftigten ist bekannt oder zumindest abschätzbar. Bei nicht gezielten Tätigkeiten ist mindestens eine dieser drei Voraussetzungen nicht erfüllt (siehe § 2 Abs. 7 und 8 BiostoffV). 

Häufig ist es so, dass zwar die Spezies des Biostoffes und die Expositionsbedingungen der Beschäftigten bekannt sind, die Tätigkeit aber nicht auf den Biostoff ausgerichtet ist, was diese Tätigkeit dann zur „nicht gezielten Tätigkeit“ macht. So ist z. B. die Pflege einer oder eines an einer übertragbaren Krankheit leidenden Patientin bzw. Patienten durch eine Krankenschwester bzw. einen Krankenpfleger eine nichtgezielte Tätigkeit, auch wenn der Krankheitserreger namentlich bekannt und die Expositionsbedingungen für die Beschäftigten abschätzbar sind. Die Tätigkeit ist nicht auf den Biostoff ausgerichtet, sondern dient der Pflege der Patientin bzw. des Patienten.
Beschäftigt eine Arbeitgeberin bzw. ein  Arbeitgeber ihre bzw. seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten nach der Biostoffverordnung so treffen sie bzw. ihn, unabhängig davon, ob es sich um gezielte oder nicht gezielte Tätigkeiten handelt, im Wesentlichen folgende Pflichten:
  • Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung vor Beginn der Beschäftigung (§ 4 BioStoffV). (TRBA 400).
  • Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung (§ 7 BioStoffV).
  • Umsetzten der Maßnahmen aus der Gefährdungsbeurteilung vor Beginn der Beschäftigung (§ 8 Abs. 3 BioStoffV).
  • Umsetzen der Rangfolge der Schutzmaßnahmen (1. vor 2. vor 3. etc. siehe Unten) vor Aufnahme der Tätigkeit durch die Beschäftigten (§ 8 Abs. 4 BioStoffV):
    1. Ersatz von Biostoffen durch solche, welche gar nicht oder weniger gefährlich für die Beschäftigten sind. (Dieses Substitutionsgebot kann aus Praxisgründen nur bei gezielten Tätigkeiten angewandt werden.)
    2. Wahl von Arbeitsverfahren und Arbeitsmitteln, die ein Freiwerden von Biostoffen verhindern.
    3. Reduktion der Exposition der Beschäftigten durch bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen auf ein Minimum. Diese Maßnahmen sind in der genannten Reihenfolge durchzuführen.
    4.  Zur Verfügung stellen von Persönlichen Schutzausrüstungen, wenn die Durchführung der o. g. Schutzmaßnahmen in der Reihenfolge von 1.-3. nicht ausreicht. Der Einsatz belastender Persönlicher Schutzausrüstungen (z. B. nicht gebläseunterstützten Atemschutzes) darf nicht als Dauermaßnahme erfolgen und ist auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken.
  • Einhaltung der allgemeinen Hygienemaßnahmen (§ 9 Abs. 1 BioStoffV). (TRBA 500).
  • Im Rahmen der Umsetzung der in § 8 genannten Pflichten, die Einhaltung der Vorgaben des § 9 Abs. 3 BioStoffV.
  • Erstellen einer Betriebsanweisung und mindestens jährliche Unterweisung der Beschäftigten anhand der Betriebsanweisung (§ 14 BioStoffV). (TRBA 400).
  • Umsetzten der Anforderungen der Arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung für alle Beschäftigten im Sinne des § 2 Abs. 9 BioStoffV (§ 12 BioStoffV).
  • Festlegen von Maßnahmen für den Fall einer Betriebsstörung oder eines Unfalls, bevor die Beschäftigten ihre Tätigkeit aufnehmen (§ 13 BioStoffV).
  • Im Falle von Krankheit oder Tod einer bzw. eines Beschäftigten bei Tätigkeiten mit Biostoffen, ist das Dezernat 56 der zuständigen Bezirksregierung unabhängig von der Risikogruppe des Biostoffes, unverzüglich zu unterrichten (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 BioStoffV). (Die Unfallanzeige an die Unfallversicherung als Folge einer mindestens 3tägigen Arbeitsunfähigkeit ersetzt weder diese Unterrichtung, noch erfüllt sie die Voraussetzung des „unverzüglichen“.)
  • Unverzügliche Unterrichtung des Dezernates 56 der zuständigen Bezirksregierung bei jedem Unfall und jeder Betriebsstörung mit Biostoffen der Risikogruppe 3 oder 4, die zu einer Gesundheitsgefahr für die Beschäftigten führen können (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 BioStoffV). Hierzu gehören z. B. Stich- und Schnittverletzungen im Rahmen von Blutentnahmen oder Eingriffen, wenn eine Infektion der Patientin bzw. des Patienten mit Biostoffen der Risikogruppe 3** wie HIV, HBV oder HCV nicht ausgeschlossen werden kann. Das Ergebnis einer nachträglichen Untersuchung (sowohl der Patientin bzw. des Patienten als auch der bzw. des betroffenen Beschäftigten) ist hierbei nicht abzuwarten, sondern die Unterrichtung hat unverzüglich zu erfolgen, da der Unfall zu einer Gesundheitsgefahr für die bzw. den Beschäftigten führen kann.
Entsprechend § 20 Biostoffverordnung ist der Verstoß der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers gegen die meisten seiner Pflichten bußgeldbewehrt. Setzt die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber den bußgeldbewehrten Verstoß vorsätzlich fort (nachdem sie bzw. er z. B. auf den Bußgeldtatbestand hingewiesen wurde) und gefährdet dadurch Leben oder Gesundheit einer bzw. eines Beschäftigten, so handelt es sich um eine Straftat. Bei einem solchen Sachverhalt ist die zuständige Bezirksregierung verpflichtet, ihre Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung abzugeben.
Über die Differenzierung in gezielte und nicht gezielte Tätigkeiten hinaus, unterscheidet die Biostoffverordnung auch zwischen Tätigkeiten mit und ohne Schutzstufenzuordnung. 

Tätigkeiten ohne Schutzstufenzuordnung sind berufliche Arbeiten mit Menschen, Tieren, Pflanzen, Produkten, Gegenständen oder Materialen, wenn hierbei die Beschäftigten mit Biostoffen in Kontakt kommen können (§ 6 BioStoffV). Hierzu gibt es ein umfassendes Technisches Regelwerk z. B. für Tätigkeiten in der Land- und Forstwirtschaft (TRBA 230), in Archiven (TRBA 400), in Abwassertechnischen Anlagen (TRBA 220), in der Abfallwirtschaft und bei der Abfallsammlung (TRBA 213, TRBA 214).

Tätigkeiten mit Schutzstufenzuordnung sind an die Tätigkeit mit Biostoffen in Laboratorien, in der Versuchstierhaltung, in der Biotechnologie und im Gesundheitsdienst gebunden. Hier hat die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber sowohl für gezielte als auch für nicht gezielte Tätigkeiten Schutzstufen festzulegen, nach denen sich die einzuhaltenden Schutzmaßnahmen richten (§ 5 BioStoffV).

Über die oben aufgeführten wesentlichen Pflichte hinaus, haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Laboratorien, in der Versuchstierhaltung und in der Biotechnologie die in § 10 der Biostoffverordnung aufgelisteten Anforderungen einzuhalten. Hierzu gehört insbesondere bei Tätigkeiten der Schutzstufe 3 und/oder 4 nur fachkundige Beschäftigte einzusetzen sowie eine fachkundige Person mit bestimmten Beratungs- und Kontrollaufgaben und Unterweisungen zu beauftragen. Die Fachkunde richtet sich nach den Maßgaben der TRBA 200. Konkrete Schutzmaßnahmen benennen die TRBA 100 für Laboratorien und die TRBA 120 für die Versuchstierhaltung.

Entsprechendes gilt für die Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitgeber in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes. Diese haben zusätzlich die Vorgaben des § 11 Biostoffverordnung zu erfüllen. Auch hier dürfen bei Tätigkeiten der Schutzstufe 3 und/oder 4 nur fachkundige Beschäftigte eingesetzt werden und eine fachkundige Person ist mit bestimmten Beratungs- und Kontrollaufgaben und Unterweisungen zu beauftragen. Die Fachkunde richtet sich ebenfalls nach den Maßgaben der TRBA 200. Konkrete Schutzmaßnahmen für den Gesundheitsdienst stehen in der TRBA 250.
Bevor Tätigkeiten der Schutzstufen 3 oder 4 in Laboratorien, in der Versuchstierhaltung oder in der Biotechnologie angefangen werden, muss die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber im Besitz einer Erlaubnis nach § 15 der Biostoffverordnung sein. Die Erlaubnis ist beim Dezernat 56 der zuständigen Bezirksregierung schriftlich zu beantragen. Die dabei einzureichenden Unterlagen sind an keine besondere Form gebunden. Um die Erteilung der Erlaubnis zu vereinfachen und zu beschleunigen (insbesondere hinsichtlich § 15 Abs. 3 Satz 2 Biostoffverordnung), bietet sich die Verwendung der dort hinterlegten Vorlage an.

Entsprechendes gilt für Einrichtungen im Gesundheitsdienst, wenn in diesen Tätigkeiten der Schutzstufe 4 vorgesehen sind. Auch hier muss die Erlaubnis nach § 15 Biostoffverordnung vor Aufnahme der Tätigkeiten vorliegen.

Neben dem Erlaubnisvorbehalt besteht nach § 16 Biostoffverordnung für bestimmte Tätigkeiten in Laboratorien, in der Versuchstierhaltung und in der Biotechnologie eine Anzeigepflicht für:
  • gezielte Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 2,
  • gezielte und nichtgezielte Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 3**,
  • sicherheits- oder gesundheitsschutzrelevante Änderungen der erlaubten oder angezeigten Tätigkeiten,
  • die Einstellung einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.
Die Anzeige ist spätestens 30 Tage vor Aufnahme oder Einstellung der Tätigkeit beim Dezernat 56 der zuständigen Bezirksregierung schriftlich einzureichen.

Auch für die Anzeige nach § 16 Biostoffverordnung bietet sich die Verwendung der bei den Bezirksregierungen verfügbaren Vorlage an.

Für Einrichtungen im Gesundheitsdienst besteht eine Anzeigepflicht für:
-    jede Aufnahme eines mit einem Biostoff der Risikogruppe 4 infizierten Patientinnen und Patienten,
-    die Einstellung einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

Die Anzeige ist bei der Patientenaufnahme unverzüglich und bei Einstellung der erlaubnispflichtigen Tätigkeit (Schließung einer Schutzstufe-4-Patientenstation, nicht Entlassung der Patientin bzw. des Patienten) spätestens 30 Tage vorher beim Dezernat 56 der zuständigen Bezirksregierung schriftlich einzureichen.
Die Verwendung von Kopien der Anzeigen, Genehmigungen und Erlaubnissen nach anderen Rechtsvorschriften (siehe § 16 Abs. 4 BioStoffV) scheitert in der Regel daran, dass keine Gefährdungsbeurteilung (und auch nicht deren Ergebnis) im Sinne des § 4 Biostoffverordnung vorliegt.
In Nordrhein-Westfalen ist die Überwachung der Biostoffverordnung eine der Aufgaben der jeweils örtlich zuständigen Bezirksregierung. Kompetente Ansprechpersonen der Arbeitsschutzverwaltung finden Sie bei der für Sie örtlich zuständigen Bezirksregierung oder dem Arbeitsschutz-Telefon Nordrhein-Westfalen.