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Berliner Runde: Was kommt nach dem Pflege-TÜV?

Foto zeigt Minister Karl-Josef Laumann vor dem Rednerpult

Was kommt nach dem Pflege-TÜV?

6. Berliner Runde zur Zukunft der Pflege diskutiert neues System der Qualitätsdarstellung

„Der Pflege-TÜV geht – was kommt danach?“ – diese Frage hat die 6. Berliner Runde zur Zukunft der Pflege diskutiert, zu der die rheinland-pfälzische Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler und der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann eingeladen hatten. In der nordrhein-westfälischen Landesvertretung in Berlin erwartete das Publikum eine interessante politische Gesprächsrunde, an der auch Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung, teilnahm. Dr. Klaus Wingenfeld vom Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld berichtete zudem über die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten zur Neuausrichtung der Qualitätsbeurteilung für die stationäre Pflege.

„Fest steht: Wir brauchen regelmäßige Prüfungen und Kontrollen – gerade in der Pflege. Und die Menschen brauchen verlässliche Informationen und ein verständliches Bewertungssystem. Wir müssen wissen, was bei den Menschen in der Pflege ankommt“, erklärte Minister Laumann. „Der Pflege-TÜV ist in seiner bisherigen Form hierfür ungeeignet. Es kann doch nicht sein, dass schwere Pflegemängel durch andere weniger wichtige Kriterien wie z. B. eine schön gestaltete Speisekarte relativiert werden können.“

Auch Ministerin Bätzing-Lichtenthäler stellte heraus, dass es Zeit für einen Kurswechsel sei. „Wenn man bedenkt, dass bereits im Jahr 2010 die mangelnde Aussagekraft der Pflegenoten wissenschaftlich bestätigt und der Ansatz für ein besser geeignetes Verfahren entwickelt wurde, dann ist dieser Neustart längst überfällig. Wichtig ist mir außerdem, dass auf der Grundlage der jetzt vorliegenden Erkenntnisse ein guter Ausgleich gefunden wird zwischen dem Interesse an der Veröffentlichung von Indikatoren, deren stichprobenhafter Überprüfung und dem Interesse an flankierender Qualitätssicherung in den Bereichen der Struktur- und Prozessqualität. Denn leider lautet die Erfolgsformel nicht, dass mehr Prüfung auch mehr Qualität bewirkt.“

Foto: 6. Berliner Runde zur Zukunft der Pflege

Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung, fügte hinzu: „Der bisherige Pflege-TÜV ist irreführend. Er gibt keinerlei Aufschluss über die wirkliche Qualität einer Pflegeeinrichtung. Genau das brauchen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen aber, wenn sie sich für eine Pflegeeinrichtung entscheiden wollen. Deshalb benötigen wir hier endlich ein Beurteilungssystem, das verständlich und verlässlich das tatsächliche Versorgungsniveau abbildet. Dieser ‚Schuss‘ muss jetzt sitzen, denn die Pflegebedürftigen und deren Angehörigen warten schon viel zu lange auf aussagekräftige Entscheidungshilfen.“

Foto: 6. Berliner Runde zur Zukunft der Pflege

Die Ergebnisse zur Qualitätsbeurteilung in der stationären Pflege des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW) und des Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) liegen seit Mitte 2018 vor. Das neue Verfahren orientiert sich an den tatsächlichen Resultaten pflegerischen Handelns anhand von definierten Indikatoren – beispielsweise die Anzahl von Stürzen mit schwerwiegenden Folgen. Diese sollen regelmäßig durch die Einrichtungen erhoben und durch externe Prüfer – dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen oder dem Prüfdienst der Privaten Krankenkassen – stichprobenhaft bewohnerbezogen geprüft werden. Die Ergebnisse sollen für die Öffentlichkeit nicht mehr in Noten dargestellt und in einer Gesamtnote zusammengefasst werden, sondern differenzierte Informationen beinhalten. Neben dem Abschluss ausstehender Vereinbarungen und der Schaffung der erforderlichen (technischen) Voraussetzungen steht eine Erprobungsphase an. Dieser Prozess soll Ende 2019 abgeschlossen sein. Bundesweit müssen sowohl die Einrichtungen als auch die Prüfdienste geschult werden.

„Die Chance, die mit dem neuen Qualitätssystem einhergeht, sollte genutzt werden. Denn im Ergebnis greifen hier verschiedene Prozesse ineinander – das Qualitätsmanagement in den Einrichtungen, die Überprüfung und die öffentliche Darstellung. Das setzt aber auch den Willen seitens der Einrichtungen voraus, die Prozesse zu gestalten und nicht bloß zu verwalten“, so Dr. Wingenfeld. „Entscheidend ist, übermäßigen Formalismus bei der Qualitätsbeurteilung zurückzudrängen und wieder die Kernaufgaben der Pflege in den Mittelpunkt zu stellen“.

„Das neue Messverfahren ist ein dringend notwendiger Schritt zur Verbesserung der Pflege“, stellte Minister Karl-Josef Laumann in Berlin fest. „Jetzt kommt es darauf an, dass sich das neue wissenschaftlich entwickelte Verfahren in der Praxis bewährt und dafür von der Pflegeselbstverwaltung eine gute Grundlage geschaffen wird“, ergänzte Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler.

Die Gäste und Referentinnen und Referenten der Veranstaltung:

Politisches Gespräch mit Minister und Ministerin

Andreas Westerfellhaus
Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung

„Bei der Wahl einer stationären Einrichtung müssen Pflegebedürftigen und deren Angehörigen transparente Entscheidungskriterien zur Verfügung stehen. Und es muss Verlass darauf sein, dass diese Qualitätskriterien auch das tatsächliche Versorgungsniveau abbilden. Ich hoffe, dass der gesetzliche Auftrag hier Transparenz zu schaffen nun tatsächlich baldmöglichst erfüllt wird.“

Portrait: Andreas Westerfellhaus

Neuausrichtung der Qualitätsbeurteilung und Qualitätsdarstellung für die stationäre Langzeitpflege

Portrait: Dr. Klaus Wingenfeld

Dr. Klaus Wingenfeld
Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld
- Wissenschaftliche Geschäftsführung

„Zur Einführung eines indikatorengestützten Verfahrens zur Beurteilung von Ergebnisqualität in stationären Pflege-Einrichtungen, der Modernisierung externer Qualitätsprüfungen und der Neugestaltung einrichtungsbezogener öffentlicher Qualitätsberichte liegen die Ergebnisse der hiermit beauftragten Projekte seit Mitte des Jahres 2018 vor. Dargestellt werden die wichtigsten Ergebnisse und Herausforderungen, die sich kurz- und mittelfristig bei der Umsetzung ergeben.“

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Multidimensionalität von Qualität in der Pflege

Prof. Dr. rer. medic. Martina Hasseler
Dienststelle, Medizinische Fakultät Universität Heidelberg, Lehrstuhl Pflege- und Therapiewissenschaft

„Pflegebedürftige, Angehörige, professionelle Berufsgruppen, Prüfinstitutionen und weitere Akteure verstehen Qualität in der Pflege durchaus unterschiedlich. Neben grundlegenden Aspekten – wie dem operationalisierbaren Verständnis von Qualität und der Analyse von sich interagierenden Faktoren - kommt der Entwicklung bzw. der Darstellung möglicher Qualitätsberichte eine hohe Bedeutung zu.“

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Portrait: Prof. Dr. rer. medic. Martina Hasseler

Ergebnisindikatoren in der stationären Altenpflege - Integration und praktischer Nutzen

Portrait: Sabine Pontkees

Sabine Pontkees
Pflegedienstleitung St. Elisabeth-Haus Xanten

„Pflegefachkräfte benötigen förderliche Arbeitsbedingungen und adäquate berufliche Weiterqualifizierungen. Pflegende, die Wertschätzung und Anerkennung seitens der Politik und der Gesellschaft erfahren, bringen sich konstruktiv und kreativ mit Engagement ein.“

Natalie Albert
Referat Altenhilfe und Sozialstationen
Caritasverband für die Diözese Münster e.V.

„Pflegefachkräfte sind DIE Experten für Pflege und die Pflegeprozessplanung, sie können und müssen die Verantwortung für die Qualitätssicherung und -erhebung in den Einrichtungen der stationären Altenhilfe übernehmen.“

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Portrait: Natalie Albert

Kulturwandel in der Qualitätsprüfung

Portrait: Robert Pelzer

Robert Pelzer
MDK Nordrhein
Qualitätsprüfung in Pflegeeinrichtungen

„Mit dem Perspektivwechsel in der Qualitätsprüfung wird die fachliche Expertise der Pflegefachkräfte in den Einrichtungen und der Prüfer deutlich in den Vordergrund gestellt. Mit den Ergebnisindikatoren kommen neue Aspekte hinzu, die insbesondere die Ergebnisqualität in den Vordergrund rücken.“

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Aus dem Schatten ins Licht - Qualität für Pflegebedürftige und Angehörige sichtbar machen

Sabine Jansen
Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz

„Es ist es sehr zu begrüßen, dass ein neues System unter Einbeziehung der relevanten Akteure - auch der Vertreter der Pflegebedürftigen - auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelt wird.
Allerdings wird die Akzeptanz eines neuen Systems von den darin enthaltenen Informationen, der verständlichen Darstellung und der realistischen Bewertung abhängen.“

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Portrait: Sabine Jansen

Podiumsgäste

Portrait: Nadine Szepan

Nadine-Michèle Szepan
Abteilungsleiterin Pflege beim AOK-Bundesverband

„Neue Konzepte zur Pflegequalität müssen neben der Veröffentlichung der Qualitätsergebnisse insbesondere auch die bestmögliche Unterstützung der Einrichtungen in ihrem Bemühen um eine stetige Verbesserung der Pflegequalität enthalten. Dafür braucht es neben Neuausrichtung und Ineinandergreifen der klassischen Instrumente der Qualitätssicherung auch ein neues Rollenverständnis der beteiligten Akteure.“

Herbert Mauel
bpa
Geschäftsführer für den stationären Bereich

„Damit es weder zu einer Ausweitung der Prüfungen im Sinne von Doppelprüfungen noch zu neuen Dokumentationsanforderungen für die Einrichtungen kommt, bedarf es einer kritischen Betrachtung.
Das neue Verfahren erscheint nicht nur zusätzlich, sondern auch aufwändiger und zeitintensiver als die aktuellen Prüfungen zu sein.“

Portrait: Herbert Mauel
Portrait: Claus Bölicke

Claus Bölicke
Leiter der Abteilung Gesundheit, Alter und Behinderung beim AWO Bundesverband

„Der Moment für ein wissenschaftlich entwickeltes und erprobtes Verfahren zur Messung, Prüfung und öffentlicher Darstellung der Qualität in der Pflege ist gekommen, erstmalig liegt ein valides Verfahren vor.
Die Qualitätssicherung in der Pflege wird auf ein nie da gewesenes Niveau gehoben, erstmalig werden flächendeckend verlässliche Aussagen zur Qualität der stationären Pflege in Deutschland ermöglicht.“