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Transformation gestalten – Veranstaltung der TBS NRW

V.r.n.l.: Matthias Heidmeier, Staatssekretär, MAGS; Johannes Pöttering, unternehmer nrw; Dr. Christoph Grüninger, TBS, Projektleiter; Anja Weber, DGB NRW; Dr. Urs Peter Ruf, TBS

Transformation und betriebliche Mitgestaltung - Impulse für gute und sichere Arbeit in Zeiten des Umbruchs

„Transformation gestalten“ - Projekt der TBS NRW, gefördert mit finanzieller Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Europäischen Sozialfonds / REACT-EU als Teil Reaktion der Union auf die COVID-19-Pandemie

Wie kann in Zeiten großer Veränderungen Sozialpartnerschaft funktionieren und wie können Arbeitgeber und Beschäftigte gemeinsam gute und sichere Arbeit in den Betrieben gestalten? Die Veranstaltung des TBS-Projekts „Transformation gestalten – Orientierung für Interessenvertretungen“ ging diesen Fragen nach und diskutierte über Gestaltungsansätze und Unterstützungsangebote für die betriebliche Praxis.

Transformation im Betrieb – Betriebsräte und Beschäftigte geben Impulse für gute und sichere Arbeit in Zeiten des Umbruchs

Die TBS NRW führte das EU-geförderte Projekt „Transformation gestalten – Orientierung für Interessenvertretungen“ von Oktober 2021 bis März 2023 durch. Branchenübergreifend wurden Arbeitnehmervertretungen dabei unterstützt, betriebliche Transformationsbedarfe zu erkennen und Transformationsprozesse kompetent und konkret mitzugestalten. Über das Projekt wurden insbesondere Kurzberatungen sowie mehrtägige Transformationsworkshops durch sachverständige TBS-Beraterinnen und -Berater angeboten und umgesetzt, aber auch verschiedene Onlineseminare zu Transformationsthemen durchgeführt und fachliche Informationsmaterialien entwickelt.

Auf der Düsseldorfer Veranstaltung zum Abschluss des Projekts berichteten betriebliche Akteure über ihre Erfahrungen und Eindrücke mit der Gestaltung von Transformationsprozessen. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik, Unternehmen und Gewerkschaften informierten über Herausforderungen und diskutierten über Gestaltungsansätze und Unterstützungsangebote für die betriebliche Praxis.

„Zentrale Bedeutung von Qualifizierung in der anstehenden Transformation“

Bei der prominent besetzten Podiums-Runde wies MAGS-Staatssekretär Matthias Heidmeier auf die zentrale Bedeutung von Qualifizierung in der anstehenden Transformation hin. Nordrhein-Westfalen habe sich ehrgeizige Klimaschutz-Ziele gesetzt. Um diese zu erreichen, sei eine entschiedene Stärkung der beruflichen Ausbildung nötig. Das Ziel sei, alle arbeitsmarktlichen Potentiale zur Sicherung der Fachkräftenachfrage zu nutzen.

Anja Weber, DGB NRW-Vorsitzende, machte deutlich, die Transformation müsse schnell und entschlossen angegangen werden. Das gelinge mit der Einbeziehung der Beschäftigten und gelebter Mitbestimmung. Es brauche aber auch der finanziellen Unterstützung durch das Land.

Die Notwendigkeit zur Transformation sei in den Unternehmen des Landes angekommen, betonte Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer unternehmer nrw. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, seien zukunftsfähige Geschäftsmodelle und Produkte gefragt. Bei anstehenden Veränderungsprozesse seien Unternehmen gut beraten, den Austausch mit den Beschäftigten zu suchen.

Manfred Maresch vom DGB-Projekt REVIERWENDE forderte auf, die Zulieferer beim Kohleausstieg im Rheinischen Revier in den Blick zu nehmen. Gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen und ihre Beschäftigten benötigen Unterstützung in der anstehenden Transformation.

Die zentralen Handlungsfelder für betriebliche Veränderungsprozesse wurden entlang von vier Transformationstrends - nämlich Digitalisierung, Dekarbonisierung (Umstellung der Wirtschaft auf kohlenstofffreie und erneuerbare Energiequellen), De-Globalisierung und Demografischer Wandel – beschrieben. Die vier „großen D“ betrafen auch die vorgestellten Beispiele aus der betrieblichen Praxis.

Aus der betrieblichen Praxis: Zukunftskonzept gegen Stellenabbau

Wie betrieblicher Wandel in krisenhaften Zeiten gelingen kann, präsentierte TBS-Beraterin Katja Köhler zusammen mit Helge Hansen, Betriebsratsvorsitzender bei Magna Powertrain, einem international führenden Zulieferer für die globale Automobilindustrie. Der Betrieb ist von allen großen Transformationstrends betroffen:

  • Dekarbonisierung – Absehbares Ende für die Produktion von Verbrennermotoren, energieintensive Produktion, Mobilitätswende z.B. durch E-Mobilität
  • Demografischer Wandel: Hoher Altersdurchschnitt der Belegschaft mit wenigen Neueinstellungen, Schwierigkeiten bei der Fachkräftegewinnung von Ingenieuren und IT-Fachkräften für die Entwicklung
  • (De-) Globalisierung: Der Standort Köln steht in Konkurrenz zu „Best Cost Countries“
  • Digitalisierung: Die Entwicklung von Software, etwa für autonomes Fahren

Am Kölner Standort werden Getriebe für Autos mit Verbrennermotoren entwickelt. Aufgrund der begrenzten Zukunftsfähigkeit von Verbrennungsmotoren sollten hier Stellen in der Entwicklungsabteilung abgebaut werden. Um das zu verhindern, erstellte der Betriebsrat ein Zukunftskonzept für den Standort und holte sich dabei Unterstützung von der TBS NRW. In dem Konzept wurden gemeinsam mit dem Betriebsrat Zukunftsideen und Potentiale zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sowie zur Ausweitung des Produktportfolios erarbeitet. Im Vorfeld hat zudem der Gesamtbetriebsrat im Rahmen von Sozialplanverhandlungen die Gründung eines internen Startups zur Entwicklung neuer Aufgabenfelder und die Umsetzung eines spezifischen Hochschul-Qualifizierungsprogramms für Beschäftigte zur Fachkräftesicherung von der Geschäftsführung vereinbart.

Unter dem Strich bleibt ein positives Fazit: Der Gesamtbetriebsrat konnte einen Teil des geplanten Personalabbaus verhindern und der Betriebsrat am Standort Köln konnte mit Hilfe der TBS-Beratung Anstöße für ein Zukunftskonzept geben.

Aus der betrieblichen Praxis – Qualifizierung nach (Transformations-)Plan

Zusammen mit TBS-Berater Jens Göcking berichtete Nico Fountas, Betriebsratsvorsitzender bei MM Neuss GmbH, über Erfahrungen und Aktivitäten bei betrieblichen Veränderungsprozessen.

MM Neuss GmbH ist ein Verpackungsmittelhersteller, der zum weltweit tätigen MM-Konzern (Mayr-Melnhof) gehört. Am Standort Neuss werden Recyclingkarton und Frischfaserkarton zur Verpackung von Food-Produkten hergestellt und vertrieben, die Produktion ist sehr energieintensiv. Der Betrieb ist ebenfalls von den vier zentralen Transformationstrends betroffen:

  • Dekarbonisierung – MM hat ein eigenes Kraftwerk auf dem Betriebsgelände. Dieses wird zurzeit auf Wasserstofftechnik umgestellt. Die Versorgung mit grünem Wasserstoff muss zukünftig gesichert sein.
  • Demografischer Wandel: Alternde Belegschaft in vielen Bereichen und Schwierigkeiten bei der Fachkräftegewinnung, vor allem für die Schichtarbeit.
  • (De-) Globalisierung: Lieferketten sind gestört, nicht nur bei Elektronik, auch bei Rohstoffen und Chemikalien.
  • Digitalisierung: Prozesse und Organisation werden digitalisiert, die Umsetzung erweist sich als schwierig, auch aufgrund der unterschiedlichen Vorkenntnisse innerhalb der Belegschaft.

Im Rahmen des Projekts stand zunächst die Sensibilisierung des Betriebsrats für die Herausforderungen durch die Transformationstrends im Vordergrund. Transformation sollte betrieblich zum Thema gemacht, Unternehmen, Beschäftigte und Betriebsrat miteinander ins Gespräch gebracht werden. Nach einer ausführlichen Bestandsaufnahme wurde das Fokusthema „Qualifizierung und Weiterbildung“ identifiziert und ein Handlungsplan entwickelt. Dabei wurden auch Handlungsoptionen herausgearbeitet, die bisher nicht im Blick des Betriebsrats standen, etwa Möglichkeiten des digitalen Lernens, Video-Tutorials oder die Schaffung niedrigschwelliger Lernangebote.

Der Handlungsplan wurde mithilfe des Digital-Tools „Transformationsplan“ erstellt, das von der TBS NRW im Rahmen des Projektes entwickelt wurde. Als nächste Schritte stehen jetzt Gespräche mit der Geschäftsleitung zur Umsetzung der Maßnahmen auf der Agenda. Die Belegschaft soll zudem erstmalig zum Thema „Qualifizierung und Weiterbildung“ aktiv befragt werden.

Herausforderungen der Transformation – Kooperation und Vernetzung

Moderiert von der Journalistin Beate Kowollik erörterte die Runde der Expertinnen und Experten die Herausforderungen der Transformation. Die Besetzung des Podiums spiegelte die zentralen Transformationstrends und zugleich die Kooperationsaktivitäten des TBS-Projekts. Denn zum Projektauftrag gehörten auch Aktivitäten zur Vernetzung mit anderen arbeits- und zukunftsorientierten Beratungsangeboten und Akteuren des Landes.

So war mit Dr. Anita Tisch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) vertreten, eine Ressortforschungseinrichtung des Bundes, die zu Sicherheit und Gesundheit und der menschengerechten Gestaltung der Arbeit forscht. Dr. Stefan Herrig sprach für die neue Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz, NRW.Energy4Climate. Die Landesgesellschaft unterstützt das Industrieland Nordrhein-Westfalen bei der Umsetzung von Maßnahmen für Klimaschutz und Energiewende.

Den Themenbereich Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) erläuterte Dr. Christian Temath von KI.NRW. Als zentrale Vernetzungsinitiative für das Land Nordrhein-Westfalen bündelt KI.NRW Kompetenzen im Bereich der Künstlichen Intelligenz und stärkt die Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft für einen effizienten Technologietransfer. Für den konkreten Anwendungsbereich erläuterte Alexander Smolianitski die Herausforderungen bei der Digitalisierung der Landeshauptstadt Düsseldorf.