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Fachkräftetour – Interview Regionalagentur Region Köln

Porträt Beate Fiedler, Regionalagentur Köln

Inkubator von Initiativen und Aktivitäten - Interview zur Fachkräftesituation in der Region Köln

Die Leiterin der Regionalagentur Region Köln, Beate Fiedler, im arbeit.nrw-Interview

Die Regionalagentur Region Köln unterstützt auf regionaler Ebene die Fachkräfteoffensive des Landes. Die Leiterin der Regionalagentur Beate Fiedler erläutert im Interview die Herausforderungen vor Ort.

ARBEIT.NRW: Frau Fiedler, der Fachkräftemangel in der Chemiebranche ist bekannt. Wie aber ist die Lage am Arbeits- und Fachkräftemarkt in Ihrer Region insgesamt?

Beate Fiedler: Vor einigen Jahren hatten wir eher punktuellen Arbeits- und Fachkräftemangel in einzelnen Branchen wie der Gastronomie oder der Logistik. Mittlerweile sieht das ganz anders aus. Als ich kürzlich bei meinen Gesprächen in der Agentur für Arbeit gefragt habe, wo es Fachkräftemangel gibt, lautete die Antwort: „Überall!“ Dennoch müssen wir differenzieren.

Manche Branchen wie etwa die Chemie haben für unsere Region eine besondere Bedeutung. Aber neben dem Chemiestandort Leverkusen haben wir auch noch die Metropole Köln, die als Industrie- und Dienstleistungsstandort anders strukturiert ist, sowie drei Kreise: den Rhein-Erft-Kreis, also das Rheinische Revier, das sich gegenwärtig von einer Braunkohleregion zu einem klimaneutralen Energie- und Industrierevier der Zukunft entwickelt, den Rheinisch-Bergischer Kreis, den so genannten Speckgürtel von Köln, und den eher ländlich geprägten Oberbergischen Kreis. 

Daraus ergeben sich multiple Themen und Herausforderungen, aber der Fachkräftemangel eint alle. Das betrifft Produktionsarbeitende in der Chemie genauso wie fehlende Ärztinnen und Ärzte in den ländlichen Bereichen oder auch fehlende Busfahrerinnen und -fahrer, was zu enormen Mobilitätsproblemen für Pendlerinnen und Pendler führt. 

ARBEIT.NRW: Was hat die Regionalagentur Region Köln bereits vor der Veranstaltung im Handlungsfeld Fachkräftesicherung unternommen? Was sind Ihre Prioritäten?

Beate Fiedler: Wir haben, genauso wie vom Minister gefordert, immer das gesamte Potenzial im in den Blick, also das inländische Potential der Jugendlichen, die Langzeitarbeitslosen, die Frauen, Menschen mit einer Behinderung, aber auch zugewanderte Menschen und Geflüchtete.

In Expertenrunden mit den Kammern, den Jobcentern und Agenturen für Arbeit nehmen wir die Lage am Arbeitsmarkt wie auch die bisherigen Angebote in den Blick und verändern diese gemäß den Gegebenheiten. Gleichzeitig geht es uns darum, weiterführende Projekte und Lösungen zu entwickeln. Wir wollen die Angebote der Jobcenter flankieren und (mit-)organisieren wie zum Beispiel kreis- oder stadtorientierte Jobmessen. Darüber hinaus wollen wir vor allem weitere niederschwellige Angebote speziell für langzeitarbeitslose Menschen entwickeln.  

Im vergangenen Jahr haben wir uns ganz gezielt auf die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 8, 9 und 10 konzentriert, etwa mit der beim Fachkräftekongress vorgestellten „Schulhoftournee“, damit sie auch wirklich den Weg in den für sie am besten geeigneten Beruf finden. Das neue landesweite Programm „Ausbildungswege NRW“ spielt dabei eine entscheidende Rolle, genauso wie die „Übergangslotsen“ oder unsere Zusammenarbeit mit den Kommunalen Koordinierungsstellen der Region im Rahmen der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“.

Erwähnenswert sind sicher auch die Aktivitäten der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), die wir unterstützen. Der Titel der KVB-Aktion lautet kurz und prägnant: „Rein in den Bus, raus mit nem Job!“, das ist, wie die KVB selbst schreiben, „Kölns schnellste Bewerbung“. Dabei können sich Jugendliche im so genannten KVB-Karrierebus über den Beruf Bus- oder Straßenbahnfahrer oder -fahrerin informieren, und zwar im direkten Gespräch mit Beschäftigten im Fahrdienst, die von ihren Erfahrungen im Job berichten. Jugendliche, die die Einstellungsvoraussetzungen der KVB erfüllen, können direkt vor Ort ein Kennenlerngespräch im Karrierebus führen. Wenn alles gut läuft, lautet das Versprechen der KVB, können sie noch am selben Tag mit einer vorbehaltlichen Jobzusage nach Hause gehen. 

ARBEIT.NRW: Welche Erkenntnisse haben Sie bei der Veranstaltung gewonnen und was ergibt sich daraus für Ihre weitere Arbeit im Rahmen der Fachkräfteoffensive?

Beate Fiedler: Eine Erkenntnis war sicher, dass wir hinsichtlich der Transparenz unserer Unterstützungsangebote noch besser werden und alle Prozesse im Kontext der Fachkräftesicherung beschleunigen müssen, also ganz so wie der Minister sagt: „Tempo machen!“

Zur Transparenz gehört auch, Aktivitäten in den einzelnen Teilbereichen unserer Region in andere zu übertragen. In Oberberg zum Beispiel läuft ein Projekt, das sich „Twelve Choices“ nennt, also 12 Möglichkeiten, bei dem junge, nicht mehr schulpflichtige Erwachsene ab 18 Jahren Wahlmöglichkeiten nutzen können. Sie haben die Chance, sich innerhalb eines Jahres gegebenenfalls jeden Monat ein anderes Berufsfeld bzw. einen anderen Praktikumsbetrieb, also einen anderen potenziellen Arbeitgeber anzusehen. Im Grunde also ein vierwöchiges bis zu drei Monaten dauerndes Berufsorientierungspraktikum in einem Betrieb mit Wechselmöglichkeit. Der Einstieg ist monatsweise, also sehr flexibel. Zudem wird eine monatliche Praktikumsvergütung gezahlt. Wenn alles passt, können die jungen Menschen anschließend oder währenddessen einen Ausbildungsvertrag unterschreiben. Das ist ein völlig neuer Ansatz. Wenn das funktioniert, ist es unsere Aufgabe, solche Ideen in andere Gebietskörperschaften unserer Region sowie landesweit zu kommunizieren.

Wir wollen weiterhin Ideen, Projekte, Initiativen und Angebote selbst generieren, uns zugleich aber auch in anderen Bundesländern und Ländern nach best practices umschauen, die wir für die Wirtschaft in unserer Region nutzen können. In Schweden zum Beispiel bekommen junge Menschen, die ein Studium abbrechen, ein Abgangs-Zertifikat. Wer dort ein Studium abbricht, ist also kein „Looser“, kein Versager, kein gescheiterter Mensch, denn mit dem Zertifikat kann er oder sie ganz problemlos eine Ausbildung oder ein Trainee beginnen. Schweden hat also ein anderes „System“, mit einem Studienabbruch umzugehen. Im Prinzip ist es genau das, was der Minister meinte, als er in der Podiumsdiskussion den Unternehmen vorschlug, über den genannten Personenkreis zu sagen: „Wir haben in der Ausbildung jemanden mit Studienerfahrung“. Das ist eine völlig andere Formulierung und zugleich eine weitaus positivere und sinnvollere Perspektive auf den Sachverhalt. 

ARBEIT.NRW: Was befähigt Regionalagenturen hier eine besondere Rolle oder Funktion zu übernehmen. Was gelingt so besser?

Beate Fiedler: Genau genommen sind wir der verlängerte Arm des MAGS in die Region, um der Fachkräfte- und Ausbildungsoffensive vor Ort Nachdruck zu verleihen. Insofern haben wir uns übrigens sehr gefreut, dass der Minister mit seinem Besuch unsere Aktivitäten noch mal in Präsenz flankiert hat. 

Als Regionalagentur sind wir vor Ort gut verankert, kennen die einzelnen Stakeholder und wissen die teils unterschiedlichen Interessen zusammenzuführen. Wir betrachten die Arbeitsmarktregion Köln immer in ihrer Gesamtheit. Das ist auch unverzichtbar, wenn man allein an die enormen Pendelbewegungen der Fach- und Arbeitskräfte etwa zwischen der Metropole Köln und den umliegenden Teilregionen betrachtet. 

Wirksame arbeitsmarktpolitische Lösungen setzen das Beobachten und Denken in Zusammenhängen voraus. Deshalb ist es uns ja auch so wichtig, mit allen relevanten Akteuren wie etwa den Kammern, den Agenturen für Arbeit, dem DGB, den Wirtschaftsförderungen und den Kreisverwaltungen zusammenzuarbeiten. Nur im Netzwerk lassen sich Synergien schaffen. Letztlich sind wir Inkubator von Initiativen und Aktivitäten.

Fachkräftetour - Minister Laumann in Köln, Bericht und Fotogalerie