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Mobile Mieterhilfe – Einkommensberatung

Förderschwerpunkt: Aufsuchende Hilfe und Beratung

Träger: Ev. Gemeindedienst im Ev. Johanneswerk e. V., Bielefeld; v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Bielefeld

Laufzeit: 01.08.2009 – 31.07.2012

Zielgruppe: Ohne besondere Zielgruppe

Projektort: Bielefeld

Projektbeschreibung:

Projektdokumentation

Ziele und Methoden des Projektes

Zielgruppe

Zielgruppe des Projekts „Mobile Mieterhilfe – Einkommensberatung“ sind Bielefelder Mieter, die durch Mietrückstände von Wohnungslosigkeit bedroht sind und denen es an Selbsthilfekräften mangelt, um allein aus eigener Kraft den drohenden Wohnungs-verlust abzuwenden. Es sollen ausgewählte Mieterinnen und Mieter eines großen Bielefelder Wohnungsunternehmens (Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft) und (zu einem geringeren Anteil) weiterer Wohnungsunternehmen erreicht werden, die den Kontakt zum Vermieter abgebrochen haben und die nicht durch die Fachstelle für Wohnungserhalt und Wohnungssicherung der Stadt Bielefeld unter-stützt werden.

qualitative Ziele

Die Leitidee des Projekts ist eine frühzeitige und nachhaltige Vermeidung von drohender Wohnungslosigkeit infolge von Kündigungen und Zwangsräumungen durch konsequent aufsuchende Intervention und längerfristig angelegte Einkommensberatung und -verwaltung.

Die konkreten Ziele sind:

  • Unmittelbarer Wohnungserhalt durch Einleitung von Maßnahmen zur Sicherung der laufenden Mietzahlungen und durch Abtragen der Mietrückstände.
  • Dauerhafte Sicherung der Wohnung durch Konsolidierung der Finanzen.
  • Bewältigung des Alltags mit Hilfe Dritter je nach Bedarfslage durch die Anbindung an das örtliche Hilfesystem.

quantitative Effekte

Geplant war ein jährliches Fallaufkommen von 40 Fällen pro Vollzeitstelle. Darüber hinausgehende quantitative Vorgaben gab es nicht.

Vorgesehene Methoden zur Zielerreichung

  • Beauftragung durch den Vermieter unter folgenden Kriterien:
    • frühzeitige Intervention möglichst vor einer fristlosen Kündigung (zwischen einer und zwei Monatsmieten Rückstand)
    • bei Hinweisen auf eingeschränkte Finanzkompetenzen (wiederholte Mietrückstandsfälle, nicht eingehaltene Ratenzahlungsvereinbarungen).
  • Konsequent aufsuchende Hilfen, ausgeprägte Geh-Struktur.
  • Frühzeitige Kontaktaufnahme durch mindestens drei Hausbesuche zu unterschiedlichen Tageszeiten.
  • Begleitung zu Vermietern, Ämtern und Banken.
  • Einkommensberatung durch Gegenüberstellung von Einnahmen und Aus-gaben, durch Ermittlung der Ursachen für die Mietrückstände und durch die Einleitung von Schuldenregulierungsmaßnahmen bzw. Anbindung an eine Schuldnerberatungsstelle.
  • Sicherung von Zahlungen durch Überleitung von Einkommen auf ein Konto der Stiftung Bethel („Treuhandkonto“), von dem aus die verabredeten Zahlungen getätigt werden.

Ausgangslage

örtliche Rahmenbedingungen/Eckdaten

Bielefeld ist eine kreisfreie Stadt im Regierungsbezirk Detmold im Nordosten Nord-rhein-Westfalens. Mit knapp 325.000 Einwohnern ist sie die größte Stadt der Region Ostwestfalen-Lippe und deren wirtschaftliches Zentrum. Die Arbeitslosenquote betrug im Juni 2012 9%. Damit liegt Bielefeld über dem Landesdurchschnitt Nordrhein-Westfalen von 8% und über dem Bundesdurchschnitt von 6,6%.

In Bielefeld gibt es ein breit gefächertes Angebot an sozialen Einrichtungen und Hilfeleistungen. Mit dem Ev. Johanneswerk und den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel sind zwei der größten diakonischen Unternehmen Europas in Bielefeld ansässig.

Bestehende Hilfestrukturen für Wohnungsnotfälle

In Bielefeld gibt es eine funktionierende Kooperation zwischen der kommunalen und der freiverbandlichen Wohnungslosenhilfe und Teilen der Wohnungswirtschaft. Differenzierte Hilfen gibt es insbesondere bei bereits eingetretener Wohnungslosigkeit, also im Bereich der Unterbringung und im Bereich der Reintegration in Normal-wohnraum.

Das vor Projektbeginn einzige Angebot in Bielefeld im Bereich der Prävention zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit bestand in der Fachstelle für Wohnungserhalt und Wohnungssicherung der Stadt Bielefeld, die bei einem drohenden Wohnungs-verlust vorbeugende Hilfe gem. § 34 SGB XII bzw. § 22 Abs. 5 SGB II leistet.

Projektplanung

Meilensteine/Ablaufplanung/Projektphasen

  • Implementierung der Mobilen Mieterhilfe in das Mahnverfahren der BGW.
  • Implementierung der Mobilen Mieterhilfe in die Informationsabläufe zwischen BGW und Fachstelle für Wohnungserhalt und Wohnungssicherung zur Vermeidung von Doppelbetreuungen.
  • Gemeinsame Dienstbesprechungen von Fachstelle und Mobile Mieterhilfe.
  • Einrichtung der ersten Treuhandkonten.
  • Entwicklung und Erprobung unterschiedlicher Formen von Einkommens-beratung.
  • Zwischenauswertung und Abschlussveranstaltung des Projekts mit Vertretern des örtlichen und überörtlichen Kostenträgers, der BGW und Haus & Grund mit dem Ziel der Verstetigung der Mobilen Mieterhilfe.

Projektumsetzung

am Projekt Beteiligte/Kooperationspartner

Die beiden Projektträger:

  • Ev. Gemeindedienst im Ev. Johanneswerk e. V., Bielefeld
  • v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Bielefeld

Die beteiligten Kooperationspartner:

  • die Fachstelle für Wohnungserhalt und Wohnungssicherung der Stadt Bielefeld und
  • die Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH (BGW).

In der Projektlaufzeit wurden darüber hinaus Kontakte aufgenommen zu den Stadt-werken Bielefeld und zu weiteren Wohnungsunternehmen wie der Ravensberger Heimstättengesellschaft mbH, der Kirchliche Wohnungswirtschaft Bielefeld (KWW) und der Wohnungswirtschaft Bethel. Auch zu Haus & Grund Bielefeld wurden erste Kontakte aufgenommen.

Wissenschaftlich begleitet und evaluiert wurde das Projekt von der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V. (GISS), Bremen.

Verlauf/Abweichungen von der Projektplanung

Der Ablauf des Projekts folgte weitgehend der Projektplanung. Allerdings entschied sich das Ev. Johanneswerk Mitte der Projektlaufzeit, nach Projektende aus der gemeinsamen Trägerschaft auszusteigen.

Projektergebnisse

Zielerreichung qualitativ

  • Die avisierte Zielgruppe wurde weitgehend erreicht. Da die Auswahl der Mieter durch die Wohnungsunternehmen selbst vorgenommen wurde, war der Grad an Zielerreichung hinsichtlich der gewünschten Zielgruppe abhängig von der passgenauen Filterung bzw. Auswahl des Vermieters. Diese Pass-genauigkeit war nicht selbstverständlich, sondern musste in Feedback-Schleifen immer wieder hergestellt bzw. bestätigt werden.
  • Der konsequent aufsuchende Beratungsansatz hat sich als die am besten geeignete Methode bestätigt, um Menschen zu erreichen, die sich in Krisen abschotten bzw. mit Passivität reagieren. Als Angstmindernd und für eine gute Akzeptanz erwies sich der Umstand, dass mit der diakonischen Projektträgerschaft die beiden Projektmitarbeiter als unparteiische Dritte auftraten, die über keinerlei Sanktionsgewalt verfügen und sich als Vermittler ins Spiel bringen können.
  • Das Instrument „Treuhandkonto“ erwies sich in mehrerlei Hinsicht als äußerst effektiv:
    • Es erweiterte Verhandlungsspielräume mit dem Vermieter.
    • Es sicherte (häufig zum ersten Mal) vereinbarte Zahlungen über einen längeren Zeitraum, was entscheidend zur Entspannung des Vermieter-Mieter-Verhältnisses beitrug.
    • Es ermöglichte (nicht selten zum ersten Mal) die vollständige Abtragung von Miet-, Energie- und weiterer Schulden.
    • Es konfrontierte Mieterhaushalte mit deren tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkommen und ermöglichte diesen, sich an diese Einkommenshöhe zu gewöhnen.
    • Einige Mieter nutzten die Möglichkeit der (wöchentlichen oder zweiwöchentlichen) Geldeinteilung und beendeten damit ihre bislang vorherrschenden finanziellen Notlagen zum Ende eines Monats.
  • Die ursprüngliche Zwei-Säulen-Idee, die eine Einkommensberatung als gleichwertige Hilfe im Anschluss an die existenzsichernde Krisenintervention vorsah, wurde im Projektverlauf verworfen. Der Schluss liegt nahe, wonach ein erfolgreiches Krisenmanagement und eine damit deeskalierte finanzielle Situation die Bereitschaft der Betroffenen absenkt, sich um einen anderen Umgang mit Geld zu bemühen. Zwar ist ein sparsamer und wirtschaftlicher Umgang mit Geld immer noch ein bedeutsames Projektziel geblieben, doch methodisch wurde dies vor allem durch das Setzen von Impulsen in der Phase der Krisenbewältigung erreicht. Gemeint ist damit eine Verschärfung des Problembewusstseins der Mieter durch die Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben und der Ermittlung des frei verfügbaren Einkommens nach Abzug aller monatlichen Fixkosten. Mit Hilfe sparsam dosierter Feed-Backs und lösungsorientierter Fragetechniken wurden die Mieter angeregt, machbare Änderungen in ihrem Umgang mit Geld vorzunehmen.

Zielerreichung quantitativ

Die nachfolgenden Daten beziehen sich auf den Evaluationszeitraum der wissenschaftlichen Begleitforschung (01.03.2010 – 31.12.2011; Ausnahme: letzter Spiegelstrich), der mit der Projektlaufzeit nicht identisch ist.

  • Im Evaluationszeitraum wurden 222 Fälle von der Mobilen Mieterhilfe abgeschlossen.
  • Bei 89% aller Kontaktversuche kam ein Kontakt zustande.
  • In 30 Fällen wurde ein Treuhandkonto eingerichtet.
  • Bei 90% aller von der BGW dokumentierten Fälle bestand das Mietverhältnis im Evaluationszeitraum fort.
  • In einem Fall ist trotz Intervention der Mobilen Mieterhilfe Wohnungslosigkeit eingetreten.
  • Bei 69 Haushalten mit insgesamt 135 Personen konnte in einem Zeitraum von 27 Monaten durch die Intervention der Mobilen Mieterhilfe ein mit hoher Wahrscheinlichkeit ansonsten drohender Wohnungsverlust vermieden werden.

weitere Effekte

Ein Teil der Einkommensberatung besteht in der Überprüfung von Sozialleistungs-bescheiden. Insbesondere SGB II-Bescheide erweisen sich oft als fehlerhaft; in der Regel zu Ungunsten der Leistungsbezieher. Aufgrund der hochschwelligen Ämterstrukturen (schlechte Erreichbarkeit, respektloses Auftreten einiger Sachbearbeiter, keine umfassende Information über sämtliche Leistungsansprüche der jeweiligen Behörde) und der für den Normalbürger unverständlichen Leistungsbescheide fehlt den Mietern oft der Mut, ihre Rechtsansprüche ohne Unterstützung einzufordern. In der Praxis erweisen sich die Instrumente „Begleitung“ und „vermittelndes Auftreten“ als äußerst erfolgreiche Mittel, um den Leistungsbeziehern zu ihrem Recht zu verhelfen. Neben den auf der Hand liegenden Effekten für die Leistungsbezieher hat die Vermittlungstätigkeit der Mobilen Mieterhilfe auch für die jeweiligen Behörden einen positiven Effekt, denn sie deeskaliert die Situation und trägt zu einer Versachlichung des Themas und verbesserten Kooperationsbeziehungen unter den Beteiligten bei.

Nachhaltigkeit

Verstetigung von Personal und Strukturen

Unmittelbar nach Projektende sind die Chancen für eine Verstetigung der Mobilen Mieterhilfe noch nicht vollständig geklärt. Zumindest bis zum 31.12.2012 kann die Mobile Mieterhilfe ihr Angebot im reduzierten Umfang (1,0 VK Sozialarbeit, 0,15 VK Verwaltung) aufrechterhalten. Organisatorisch ist die Mobile Mieterhilfe an die Fachberatungsstelle Sozialdienst von Bethel.regional der v. Bodelschwinghschen Stiftungen angeschlossen. Unter deren Dach befinden sich eine Sozial- und eine Suchtberatung, eine Frauenberatung und Street-Med (medizinische Grundversorgung an mehreren Standorten für wohnungslose und von Wohnungsverlust bedrohte Menschen), allesamt ambulante Hilfen gem. § 67 ff. SGB XII.

finanzielle Absicherung nach Projektende

Bei mehreren Anläufen in der letzten Phase der Projektförderung hat sich das Wohnungsunternehmen BGW zu einer Anteilfinanzierung über die Projektphase der MMH hinaus bereit erklärt, während die auch von der BGW zur Voraussetzung gemachte Kofinanzierung anderer Partner (Kommune, Landschaftsverband, andere Wohnungs-unternehmen, ggf. Stadtwerke etc.) noch nicht abschließend feststeht.


Kontakt:
Jürgen van der List
Viktoriastraße 10
33602 Bielefeld
Tel.: 0521 557754-17
E-Mail: juergen.vanderlist [at] bethel.de (juergen[dot]vanderlist[at]bethel[dot]de)

Weitere Beteiligte:
Die Fachstelle für Wohnungserhalt und Wohnungssicherung der Stadt Bielefeld und die Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH (BGW).