
Klimaneutrales und digitales Wirtschaften in NRW - Beratungsangebot für Unternehmen und ihre Beschäftigten
Fachveranstaltung in Essen, organisiert von der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (G.I.B.)
Unternehmen und ihre Beschäftigten stehen vor der Herausforderung, ihre Produkte und Dienstleistungen klima- und umweltpolitisch neu auszurichten. Unterstützt werden sie dabei von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen mit dem neuen Instrument „Transformationsberatung NRW“. Das mit EU-Mitteln geförderte Beratungsangebot orientiert sich am ebenfalls EU-kofinanzierten Instrument „Potentialberatung NRW“. Zu den beiden sich wechselseitig ergänzenden Förderprogrammen fand am 12. Juni 2023 in Essen ein von der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (G.I.B.) organisierter Informations- und Erfahrungsaustausch der zuständigen Beratungsstellen statt.
Transformation ist für ein Bundesland wie Nordrhein-Westfalen mit seinem stetigen Strukturwandel kein unbekanntes Phänomen. Daran erinnerte Torsten Withake, Geschäftsführer der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, in seiner Eröffnungsrede. Neu an der jetzigen Transformation von Wirtschaft und Arbeit hin zu Klimaneutralität und Nachhaltigkeit sei jedoch deren Schnelligkeit und Intensität. Zudem finde parallel dazu ein weiterer tiefgreifender und technologiegetriebener Wandel statt: die Digitalisierung.
Beide Veränderungen in Kombination mit der demografischen Entwicklung sind für Unternehmen und Beschäftigte eine enorme Herausforderung. An Erkenntnissen zu deren Bewältigung bestehe kein Mangel, sagte Torsten Withake weiter: „Jetzt kommt es darauf an, vom Denken und Reden ins Handeln zu kommen“. Besonders hilfreich sind dabei nach seiner Überzeugung zwei Förderangebote der Landesregierung: die bewährte Potentialberatung und das neue Instrument Transformationsberatung. Beide sind nach seinen Worten bestens miteinander verzahnt sowie mit weiteren Förderangeboten des Landes verknüpft. Die Veranstaltung solle deshalb zeigen, so Torsten Withake, „was bei der Transformation zum nachhaltigen Wirtschaften alles geht und wie es geht.“
„Berufliche Bildung ist der Schlüssel bei der Transformation“
Zu wissen, wie es geht, liegt im Interesse der Unternehmen wie auch der Beschäftigten, denn „an Transformation führt kein Weg vorbei“, stellte gleich anschließend Matthias Heidmeier, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, klar: „Wer sich verweigert, gerät ins Hintertreffen“.
Beim Transformationsprozess spielt in seinen Augen die Beratung eine zentrale Rolle: „Das gilt vor allem für kleine und mittlere Unternehmen.“ Zudem erfordere der Wandel zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft „einen breiten gesellschaftlichen Konsens, einen gemeinschaftlichen Geist.“ Kooperation auf Augenhöhe sei deshalb auf allen Ebenen gefragt. Das gilt für das Zusammenwirken von Politik und Wirtschaft, von Beratungseinrichtungen und Unternehmen wie auch innerbetrieblich mit Blick auf die Beteiligung der Beschäftigten. Nicht zuletzt deshalb appellierte er an die Beratungseinrichtungen, ihr Portfolio zu erweitern: „Reine Technikberatung kann nicht erfolgreich sein. Wir müssen die Menschen mitnehmen bei der Transformation, sonst gelingt sie nicht.“
Für den Staatssekretär „ist berufliche Bildung der Schlüssel für die Transformation“. Aus dem Grund plane Nordrhein-Westfalen, die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung als erstes Bundesland gesetzlich zu normieren. Das Vorhaben ist Teil der umfassenden Fachkräfteoffensive des Landes, „denn Fachkräfte sind für eine erfolgreiche Transformation genauso unverzichtbar wie die professionelle Beratung der Unternehmen und ihrer Beschäftigten.“
Beratung generiert Erfolge
Wie die Förderprogramme Potentialberatung und Transformationsberatung in der Praxis funktionieren und erfolgreich ineinandergreifen, illustrierten bei der von Dr. Katja Nink und Andreas Bendig von der G.I.B. moderierten Veranstaltung gleich drei konkrete Beispiele aus der Praxis.
So war es der Fliesen Theissen GmbH & Co.KG in Bocholt gemeinsam mit ihren rund 40 Beschäftigten gelungen, die Vielzahl an umweltrelevanten Vorschlägen des Personals zu einer ökologischen Gesamtstrategie zu bündeln. Inhaber und Geschäftsführer Christoph Theißen war dabei besonders wichtig, „unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Beginn an mit einzubeziehen.“ Für ihn waren sowohl die Potentialberatung wie auch die Transformationsberatung mit ihren vielfältigen konkreten Maßnahmen mehr als nur ein Impuls für nachhaltiges Wirtschaften: „Die Umsetzung der Beratungsergebnisse erhöht die Chancen, unseren Familienbetrieb auch noch an die vierte Generation zu übergeben.“
Durchweg positiv waren die Resultate der beiden Beratungsformate auch in der Kaiser Fahrzeugbau GmbH aus Ascheberg. Hier war laut Geschäftsführer Bayram Koc der Einstieg in eine Green Economy unmittelbar verknüpft mit einer Vielzahl von Qualifizierungsmaßnahmen für fast alle der 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens. Sowohl die Fortbildungen als auch alle weiteren aus der Beratung abgeleiteten Maßnahmen in den Bereichen Produktion, Handel und Transport haben nach Angaben des Managers „nachweisbar unsere Ressourceneffizienz gesteigert.“
Ein drittes Beispiel aus der Praxis lieferte die ONK GmbH. Die Kölner Logistikspezialistin entwickelt, produziert und montiert kundenspezifische Barcodeetiketten, Schilder und Bodenmarkierungen. Sie will parallel zum traditionellen Geschäftsmodell eine „Green Line“-Produktlinie entwickeln. Dabei ließ ONK-Teamleiter Rüdiger Zens keinen Zweifel an der Bedeutung von Beratung bei der ökologischen und digitalen Transformation: „Jedes Unternehmen braucht ab und zu auch den Blick von außen, um Betriebsblindheit vorzubeugen und Neues in die Wege zu leiten.“ Seinen Rat an andere Unternehmen und ihre Beschäftigten kleideten er und sein Berater Dr. Lutz Ellermann vom Beratungsunternehmen ecofeel in einen gleichermaßen kurzen wie prägnanten Imperativ: „Anfangen!“
Innovationsdruck erzeugt Dynamik
Wie gut sich die beiden Förderinstrumente Potentialberatung und Transformationsberatung mit weiteren Förderangeboten des Landes ergänzen lassen, dokumentierten die anschließenden Expertisen.
Andreas Kunsleben von der Effizienzagentur NRW, dem Kompetenzzentrum für Ressourceneffizienz in Nordrhein-Westfalen, griff in seinem Vortrag ganz konkrete Einzelmaßnahmen aus den zuvor vorgestellten Praxisbeispielen auf und wusste sie mit speziellen Förderangeboten seines Hauses wie etwa der Ressourceneffizienzberatung zu verbinden. Gleiches gelang Laura Schöpf vom Dezernat „Zukunftsenergien und Energieeffizienz“ bei der Bezirksregierung Arnsberg. Ihre Einrichtung bietet Förderungen von Erstberatungen zur klimaneutralen Transformation für Klein- und Kleinstunternehmen an. Für Betriebe dieser Größenordnung sind nach ihrer Einschätzung vor allem Förderprogramme zum Thema Klimaschutztechnik relevant.
Dass die Transformation nur mit Beteiligung der Beschäftigten funktioniert, darin stimmten alle Teilnehmenden der abschließenden Podiumsdiskussion überein. Hier ging es um die Frage nach dem gegenwärtigen Stand im Transformationsprozess sowie um die Frage, wie es Betrieben und Beschäftigten gemeinsam gelingen kann, den Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft bis 2030 in NRW zu realisieren.
Tanja Nackmayr vom Verband unternehmer nrw differenzierte bei ihrer Antwort zwischen Vorreitern und Nachzüglern bei der Transformation und konstatierte: „Die meisten Unternehmen gehen ganz pragmatisch vor. Sie sorgen mit entsprechenden Maßnahmen für Klimaneutralität und nachhaltiges Wirtschaften, ohne dass sie das Label Transformation darüberschreiben.“ Für die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Verbands kommt es vor allem darauf an, dass Unternehmen die Themen Nachhaltigkeit, Fachkräfte und Digitalisierung zusammendenken.
Etwas kritischer bewertete Michael Hermund vom DGB NRW die Lage. Er wusste von Unternehmen zu berichten, „die sehenden Auges vor die Wand fahren, weil sie sich von jetzt noch vollen Auftragsbüchern täuschen lassen.“ Er plädierte angesichts der tiefgreifenden Transformation dafür, „dass Betriebe und Beschäftigte von sich aus auf die Beratungseinrichtungen zugehen – und nicht erst, wenn die Hütte brennt.“
Torsten Withake, Geschäftsführer der G.I.B., brachte die Bedeutung von Selbstwirksamkeit bei der Transformation in die Überlegungen ein, also die innere Überzeugung der Betriebe und ihrer Beschäftigten, die komplexen Herausforderungen der Transformation aus eigener Kraft heraus gut meistern zu können.
Barbara Molitor vom MAGS NRW stimmte ihm zu und empfahl den Unternehmen, sich auch selbst unter Innovationsdruck zu setzen, denn „Innovationsdruck erzeugt Dynamik“. Eine ebenso große Dynamik sei auch wünschenswert bei der Inanspruchnahme von Förderangeboten des Landes: „Die drei vorgestellten Unternehmen“, so die Vertreterin des Ministeriums, „gehen hier mit gutem Beispiel voran.“