
Verbot von Werkverträgen auf Schlachthöfen ist zulässig - Kurzgutachten im Auftrag des Arbeitsministeriums
Kurzgutachten: Womit kann begründet werden, dass Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung nur in der Fleischindustrie verboten werden können?
Ein juristisches Kurzgutachten im Auftrag des nordrhein-westfälischen Arbeitsministeriums hat bestätigt, dass es rechtlich zulässig ist, Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischindustrie zu verbieten.
Das Kurzgutachten, erstellt von Prof. Dr. Olaf Deinert, Universität Göttingen, kommt zu folgenden Ergebnissen:
Die durch die Kontrollbehörden festgestellten Missstände beim Einsatz von Werkverträgen in der Fleischindustrie rechtfertigen ein sektorales Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung durch ein Direktanstellungsgebot für die Fleischindustrieunternehmen:
- Der Gesetzgeber darf das Direktanstellungsgebot wählen, um drohende schwere Schäden für Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer in den Schlachthöfen der Fleischindustriedurch das Auseinanderfallen von Betriebsorganisation und Personalverantwortung abzuwenden. Im Rahmen seines Beurteilungsspielraums darf er davon ausgehen, dass mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Dies rechtfertigt einen Eingriff nicht nur in die Berufsfreiheit der Schlachthofbetreiber, sondern auch in die Berufsfreiheit der Werkvertragsunternehmen und eventueller Verleihern. In Bezug auf Werkvertragsunternehmen ist die Maßnahme zudem zur Effektuierung vertraglicher Rechte der betroffenen Arbeitnehmer gerechtfertigt.
- Da Gefährdungen der Arbeitnehmerrechte durch Betriebsorganisation ohne Personalverantwortung in anderen Branchen bislang nicht in vergleichbarem Ausmaß bekannt geworden sind, darf die gesetzliche Regelung auf Betriebe der Fleischindustrie beschränkt bleiben. Das ist im Sinne des Prinzips der Verhältnismäßigkeit sogar geboten.
- Die Gründe, die entsprechende sektorale Werkvertrags-und Arbeitnehmerüberlassungsverbote vor Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, sind auch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen. Dadurch sind sie auch mit der Dienstleistungsrichtlinie und der Leiharbeitsrichtlinie vereinbar.
Zum Hintergrund
Nach Feststellungen des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) werden in den Betrieben der Fleischindustrieunternehmen praktisch keinerlei eigene Arbeitnehmer in der Produktion beschäftigt. Von den etwa 30 Großbetrieben geschah dies nur in zweien. Im Übrigen wird auf Basis von etwa 90 Werkverträgen der Einsatz von Fremdpersonal betrieben. Eigene Arbeitnehmer der Fleischindustrieunternehmen werden vor allem in der Verwaltung und in der Aufsicht über die Produktion eingesetzt. Bauliche und technische Anlagen, technische Arbeitsmittel sowie Pausen- und Sozialräume werden vom Betreiber zur Verfügung gestellt.
Werkvertragsnehmer sind regelmäßig Unternehmen mit Sitz in Deutschland oder ausländische Unternehmen mit einer Niederlassung in Deutschland. Entsendungen, die die Rechtsprechung in diesem Bereich bereits mehrfach beschäftigt haben, spielen hier offenbar kaum (noch) eine Rolle.
Eingesetzt werden Arbeitnehmer aus Osteuropa, die überwiegend der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Die Einsätze betreffen etwa 17.000 Arbeitsplätze in NRW. Die übernommenen Produktionstätigkeiten reichen von Zutrieb und Tötung von Tieren über die Zerlegung bis hin zur Fleischverarbeitung und Verpackung.
Wie weitere Kontrollen während der Corona-Pandemie ergaben, werden Beschäftigte nach Mitteilung des MAGS wechselnd in mehreren Unternehmen in Betrieben der Fleischindustrie eingesetzt. In manchen Schlachthöfen werden bis zu 30 Werkvertragsunternehmen tätig. Deren Größe variiert erheblich zwischen zwei und 5.000 Beschäftigten. Der Einsatz von Solo-Selbstständigen oder Subunternehmen erfolgt aber praktisch nicht. Eine derart weitgehende Ausgliederung praktisch des gesamten Kernprozesses der betrieblichen Produktion ist bislang aus keiner anderen Branche bekannt.