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Fachkräftetour – Region Mittlerer Niederrhein

Besuch bei der Mars Confectionery Supply GmbH in Viersen

„Alle Möglichkeiten zur Fachkräftegewinnung nutzen!“

Am 5. September 2024 nahm Minister Karl-Josef Laumann am Fachkräftekongress der Regionalagentur Mittlerer Niederrhein teil. Gegenstand des Dialogs mit den verantwortlichen Akteuren vor Ort: Vielfältige Handlungsfelder zur Deckung aktueller und zukünftiger Fachkräftebedarfe in der Region.

Manchen Unternehmen gelingt es besser als anderen, die kritische Fachkräftesituation zu meistern. Warum? Weil sie über eine umfassende Strategie verfügen. So wie die Mars Confectionery Supply GmbH in Viersen, Teil des weltweit agierenden Schokoladenkonzerns. Hier arbeiten 320 Menschen aus 30 Nationen. Zudem bildet der Betrieb zehn junge Menschen zu Fachkräften aus.

Damit sind schon zwei Elemente der Strategie benannt: Offenheit für Menschen unterschiedlicher Herkunft und die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen. Was gehört noch zur Strategie? Das wollte Minister Laumann auf seiner Fachkräftetour vor Ort erfahren und besuchte die Firma in der Region Mittlerer Niederrhein.

Hier gab Fabrikdirektorin Evelina Wagner die gewünschte Auskunft: Der Konzern engagiert sich intensiv in regionalen Netzwerken, die den Austausch zwischen Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Fachkräften fördern. Zudem nutzt der Betrieb regionale Messen, um mit potenziellen Fachkräften in Kontakt zu kommen. Darüber hinaus beteiligt sich Mars an dem umfassenden Mentoring-Programm der Wirtschaftsförderung des Kreises Viersen, bei dem erfahrenes Personal junge Fachkräfte in ihrer beruflichen Entwicklung begleitet.

Das vorbildlich-vielseitige Vorgehen der niederrheinischen Firma nahm Karl-Josef Laumann zum Anlass für seinen Appell an andere Unternehmen: „Es genügt nicht, nur eine der vielen Möglichkeiten zur Fachkräftegewinnung zu nutzen, dazu ist die Fachkräftelücke zu groß.“

Transparenz über berufliche Kompetenzen

Konsequent kam der Minister in seinem Vortrag beim anschließenden, von der Regionalagentur Mittlerer Niederrhein organisierten Fachkräftekongress auf weitere Mittel zur Fachkräftesicherung zu sprechen, darunter eine bessere Integration von Frauen sowie von Menschen mit Beeinträchtigungen.

Auch auf das Thema Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse ging der Minister ein. Hier hatte zuvor Felix Heinrichs, Oberbürgermeister der niederrheinischen Stadt Mönchengladbach, in seinem Grußwort den „Abbau bürokratischer Hürden und Hemmnisse“ gefordert.

Völlig zu Recht, so Karl-Josef Laumann, der darauf hinweisen konnte, dass sich die Zahl der Anerkennung von Berufsabschlüssen - knapp 18.000 Anträge gab es allein im vergangenen Jahr in NRW - sehr deutlich erhöht habe. Zur weiteren Beschleunigung der Berufsanerkennung beitragen könnten die Zentralisierung der zuständigen Stellen und die Digitalisierung der Verfahren: „Das hat in den Gesundheitsberufen gut funktioniert.“

Nach den Erfahrungen des Ministers „wissen Unternehmen oft gar nicht, über welche ausländischen Berufsabschlüsse ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen und können deren Potenzial nicht voll ausschöpfen. Transparenz über berufliche Kompetenzen ist also von großer Bedeutung!“ Dort, wo ein Anerkennungsverfahren nicht möglich oder nicht gewollt ist, gebe es Alternativen wie etwa Validierungsverfahren, eine verkürzte Ausbildung oder eine Externenprüfung: „Das sind auch gute Möglichkeiten, wenn im Ausland kein Berufsabschluss erworben wurde, aber fundierte Kenntnisse vorliegen und sich die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter im Beruf schon bewiesen hat.“

Sein Aufruf an die Unternehmen: „Nutzen Sie diese Möglichkeiten zur Hebung von Potenzialen. Sprechen Sie Ihre Beschäftigten an, motivieren Sie sie, ihre Chancen zu nutzen. Das ist ein Gewinn für die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für das Unternehmen!“

Regionale Initiativen mit bis zu 18 beteiligten Institutionen

In der anschließenden Talk-Runde kamen arbeitsmarktpolitisch verantwortliche Akteure der Region Mittlerer Niederrhein zu Wort: Jürgen Steinmetz (Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein), Rainer Imkamp (Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Mönchengladbach), Anja Winnefeld (Geschäftsführerin des Jobcenters Mönchengladbach), Joachim Selzer (Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Niederrhein) und Omer Semmo (Organisationssekretär der DGB-Region Düsseldorf Bergisch Land).

Deutlich wurde hier, dass die Region vor enormen Herausforderungen steht. Über die Transformation der Wirtschaft, den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel hinaus sind zwei Teilräume der Region mit dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung im Rheinischen Revier konfrontiert – mit Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. 
 
Befragungen der IHK bei ihren Mitgliedsunternehmen hatten ergeben, dass der Fachkräftemangel unverändert einer der Hauptrisikofaktoren ist. Gelingen, darin waren sich alle einig, kann die Aufgabenbewältigung nur gemeinsam. Dass regionale Kooperation kein bloßes Lippenbekenntnis ist, unterstreichen Initiativen wie „Check-in Berufswelt“: An ihr sind gleich 18 Institutionen beteiligt. Hier präsentieren Ausbildungsbetriebe ihre Ausbildungen und Studiengänge, kommen mit interessierten Jugendlichen ins Gespräch, verabreden Praktika und schließen idealerweise gleich einen Ausbildungsvertrag ab.

Teilqualifikationen als wirksame Option

Wie einfallsreich die verantwortlichen Akteure in der Region agieren, zeigte der weitere Veranstaltungsverlauf. So wurde das Gemeinschaftsprojekt „Textilfabrik 7.0“ kreiert, um einer Deindustrialisierung und damit dem Verlust von Arbeitsplätzen vorzubeugen. Modelliert wird hier, berichtete Detlef Braun, Geschäftsführer der Textilakademie NRW, eine Industrieproduktion im Jahr 2038, die vor dem Hintergrund des Strukturwandels im Rheinischen Revier neue Arbeitsplätze vor allem für Fachkräfte generiert.

Doch woher sollen die Fachkräfte kommen? Über den Weg „berufliche Einwanderung“, schlug der Geschäftsführer vor. Eine ergänzende Möglichkeit bietet „Leading Ladies in Town Krefeld“. Das Netzwerk will die Erwerbsquote weiblicher Fach- und Führungskräfte in der Krefelder Wirtschaft und Wissenschaft erhöhen, so Tania Cosman, Geschäftsführerin der Wolff Kommunikation GmbH und Mitglied des ehrenamtlichen Steuerkreises der Krefelder Initiative.

Auf die Zufriedenheit und Gesundheit der Beschäftigten zu achten, erweist sich ebenfalls als wichtiger Faktor, wenn es um Fachkräftegewinnung und -bindung geht. Das beweist die Firma Bönders GmbH, ein Logistikunternehmen aus Krefeld, das schon mehrfach für seine „Familienfreundlichkeit“ ausgezeichnet worden ist. Wie sich das für den Betrieb auszahlt, zeigt die Fluktuation unter den Beschäftigten: Sie liegt bei nahezu null Prozent.

Einen oft unterschätzten Beitrag zur Fachkräftesicherung können auch Teilqualifizierungen leisten. Die Firma Siempelkamp Giesserei GmbH in Krefeld hat deshalb laut Geschäftsführer Dr. Georg Geier in Kooperation mit regionalen Akteuren eine sechsmonatige, modulare Teilqualifikation zum Gießereimechaniker durchgeführt – „für Menschen mit Scheiternserfahrungen im Lernen, die so den Weg einschlagen können zu einer vollwertigen, zukunftssicheren Facharbeiterausbildung.“

Last not least: Eine zügige Integration von bleibeberechtigten Geflüchteten ohne Schulabschluss in den Arbeitsmarkt. Genau das ist das Ziel von „Kompass D“, einer Initiative Neusser Unternehmen, die Koordinator Johann Andreas Werhahn präsentierte.

Minister Laumann zeigte sich dabei beeindruckt von Vielfalt und Qualität der Aktivitäten.

Regionales Handlungskonzept

Wegen der großen Herausforderungen koordiniert die Regionalagentur Mittlerer Niederrhein beispielsweise seit vielen Jahren die gemeinsame Initiative Fachkräfte-für-morgen, an der alle maßgeblichen arbeitspolitischen Akteure im Übergang Schule-Beruf beteiligt sind.

Zu den vielen weiteren Maßnahmen zählen nach Auskunft von Bertram Gaiser, Leiter der Regionalagentur, beispielsweise die intensive Unterstützung des Landesprogramms „Ausbildungswege NRW“, die Beteiligung am mittlerweile verlängerten BMBF-geförderten Projekt „Mint in Mind“ oder eine für für Mitte November geplante Gemeinschaftsveranstaltung zum Thema „Fachkräfteakquise im Ausland“. Vor diesem Hintergrund hat sich Bertram Gaiser über den Ministerbesuch besonders gefreut: „Das erhöht noch mal die Aufmerksamkeit für die Bedeutung des Themas Fachkräftesicherung in unserer Region.“