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Fachkräftetour – Interview Regionalagentur Emscher-Lippe

Podium mit Leiterinnen der Regionalagentur Emscher-Lippe

Fachkräfteoffensive NRW – passgenau zugeschnitten auf die Region

Petra Giesler und Marita Frank, Leiterinnen der Regionalagentur Emscher-Lippe, im arbeit.nrw-Interview

Die Regionalagentur Emscher-Lippe unterstützt auf regionaler Ebene die Fachkräfteoffensive des Landes. Petra Giesler und Marita Frank, Leiterinnen der Regionalagentur Emscher-Lippe, erläutern im Interview die Fachkräftesituation vor Ort.

ARBEIT.NRW: Frau Frank, Frau Giesler, wie ist die Lage am Arbeits- und Fachkräftemarkt in Ihrer Region, die beim Strukturwandel Fahrt aufgenommen hat?

Ja, die Region Emscher-Lippe befindet sich in einem dynamischen Strukturwandel, für den sie dringend auf Fachkräfte angewiesen ist. Doch in den nächsten zehn Jahren werden voraussichtlich über 24 Prozent der Beschäftigten in den Ruhestand gehen, gleichzeitig werden deutlich weniger junge Menschen ins Berufsleben einsteigen. Dabei zeigen sich hinsichtlich der Lage am Arbeits- und Fachkräftemarkt deutliche Unterschiede innerhalb unserer Region. So sieht der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Gelsenkirchen oder Bottrop ganz anders aus als der im Kreis Recklinghausen. Ähnliche Divergenzen zeigen sich bei den Zahlen zur Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote der Arbeitsagentur Gelsenkirchen, die auch Bottrop umfasst, liegt bei 14,6 Prozent, während sie im Kreis Recklinghausen mit 8,3 Prozent deutlich geringer ist. 

Ganz unterschiedlich ist auch die Entwicklung bei den offenen Stellen. Im Kreis Recklinghausen gab es ein deutliches Plus an Stellenangeboten, ganz anders wiederum in Gelsenkirchen. Bemerkenswert ist vor allem diese Diskrepanz: Während 79 Prozent der offenen Stellen für Personen mit Fachkräfteniveau ausgeschrieben waren, suchten 65 Prozent der arbeitslos gemeldeten Menschen in Gelsenkirchen und Bottrop eine Tätigkeit als Helferinnen und Helfer.

Auch am Ausbildungsmarkt sind die binnenregionalen Unterschiede groß. Zwar ist die Differenz zwischen Ausbildungsplatzangeboten und -nachfragen nicht mehr so groß wie früher, aber die Zahl der Ausbildungsplätze reicht einfach nicht aus, um der Nachfrage gerecht zu werden. Hinzu kommt: Das Matching gelingt oft nicht. Das ist eins unserer Hauptthemen: Bewerberinnen und Bewerber sowie Ausbildungsplatzanbietende zusammenzubringen, und was den Fachkräftebedarf insgesamt angeht, lautet die Devise: Ausbildung und Qualifizierung!

ARBEIT.NRW: Was hat die Regionalagentur bereits vor der Veranstaltung im Handlungsfeld Fachkräftesicherung unternommen? Was sind Ihre zukünftigen Prioritäten?

Da sind vor allem zwei Punkte zu nennen. Beim Thema Ausbildung setzen wir uns dafür ein, dass das Landesprogramm „Ausbildungswege NRW“ und das Angebot der Übergangslotsen für junge Menschen, denen der Weg in die Ausbildung schwerfällt, in der Region bekannt und genutzt werden. In diesem Handlungsfeld sind die relevanten Akteure, darunter auch die Kommunalen Koordinierungsstellen, schon lange bestens vernetzt und wir unterstützen sie mit der Organisation Runder Tische, so dass sie gemeinsam diskutieren und entscheiden können, wo Handlungsbedarf besteht oder welche Angebote noch fehlen.

Darüber hinaus haben wir in den vergangenen Jahren die Öffentlichkeitsarbeit in diesem Handlungsfeld massiv intensiviert. Wir haben Filme zum Thema Ausbildung gedreht sowie Plakate entworfen, die für die duale Berufsausbildung werben und im öffentlichen Personennahverkehr angebracht und so Jugendliche auf ihrem Schulweg erreicht. Um der Zielgruppe der jungen Menschen gerecht zu werden, haben wir zudem schon vor zwei Jahren einen Instagram-Kanal eingerichtet. Unter „Deine Ausbildung Emscher-Lippe“ posten alle relevanten Akteure, die Kammern, die Agenturen für Arbeit, die Jobcenter und die kommunalen Koordinierungsstellen mehrfach wöchentlich und abgestimmt in einheitlichem Design Informationen rund um das Thema Ausbildung. Als wir das Angebot bei einem Jugendparlament in Bottrop vorgestellt haben, war die Resonanz durchweg positiv. Aber wir wollen das Angebot weiter kontinuierlich verbessern und stärker mit den Schulen verknüpfen und die Regionalkoordinatorinnen und -koordinatoren einbeziehen, die im Schulbereich für das Thema Ausbildung zuständig sind.

Neben dem Thema Ausbildung stehen die berufliche Weiterbildung und vernetzte Bildungsräume ganz oben auf der Agenda, wobei wir oft koordinierend tätig sind. Beispielsweise moderieren und begleiten wir zurzeit federführend einen Prozess mit dem Ziel, einen Weiterbildungsverbund zu gründen, der sich als Verein etablieren wird.

Intensiv beteiligt waren wir auch an der Qualifizierungsinitiative Wasserstoff, die hier im Haus der WiN Emscher-Lippe GmbH aus dem Projekt Wasserstoffkoordination heraus entstanden ist. Als Regionalagentur konnten wir da gut unser Netzwerk der Arbeitsmarktakteure mit einbringen. Die Arbeitsagenturen haben sich sofort dafür interessant, weil es ein Zukunftsthema ist. Sie wollen, dass sich ihre Beraterinnen und Berater frühzeitig mit dem Thema befassen. Genau deswegen haben wir im vergangenen Jahr eine erste einschlägige Veranstaltung für Fachkräfte der Kommunalen Koordinierungsstellen, der Jobcenter und Arbeitsagenturen durchgeführt, zunächst im Kreis Recklinghausen, nun auch in Gelsenkirchen und Bottrop im Rahmen der Fachkräftetour von Minister Laumann.

Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das Teilqualifizierungsmodell der IHK Nord Westfalen mit dem Titel „Erfolg in kleinen Schritten“. Zustande gekommen ist das Modell über die intensive Zusammenarbeit zwischen Kammern, DGB, Jobcentern sowie Arbeitsagenturen. Selbstverständlich haben auch wir als Regionalagentur uns daran beteiligt. Ziel ist, Menschen ohne anerkannten Berufsabschluss den Weg zu einem formalen Berufsabschluss und in einen gesicherten Arbeitsplatz zu ermöglichen - auch in den verschiedenen Branchen der Wasserstofftechnologie. 

 ARBEIT.NRW: Gibt es neben den Jugendlichen und Beschäftigten besondere Zielgruppen Ihrer Arbeit, wenn es um das Thema Fachkräftesicherung geht?

Eindeutig ja! Frauenförderung ist eins unserer Schwerpunktthemen. Warum, das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass wir in unserer Region die niedrigste Frauenerwerbstätigkeitsquote von ganz Nordrhein-Westfalen haben. Gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern haben wir deshalb speziell für Frauen mit Fluchtgeschichte und Migrationshintergrund eine stark nachgefragte Berufe-Messe organisiert. Hier konnte unsere Zielgruppe alle Angebote zu Sprachkursen, zum individuellen Coaching und zu Qualifizierungsmaßnahmen sowie im Themenbereich Ausbildung insgesamt kennenlernen, aber auch speziell zum Thema Teilzeitberufsausbildung und hier das Landesprogramm TEP. Daran besteht großes Interesse, denn in der Zielgruppe gibt es viele Frauen mit Kindern oder Familienverantwortung, die parallel dazu noch die Sprache erlernen und arbeiten müssen.

Vorteilhaft ist hier unsere enge Kooperation mit dem Kompetenzzentrum Frau und Beruf, gefördert vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration NRW. Da haben wir viele Projekte begleitet, bei denen es etwa um Karriereentwicklung und -förderung von Frauen ging.

Aber wir bieten noch viel mehr: Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit einer Pflegeschule und mit Arbeitgebern daran, ein Pilotprojekt auf den Weg zu bringen, das die Ausbildung zur Pflegefachassistenz in Teilzeit ermöglicht. Starten soll es am 1. Juli, also noch in diesem Jahr. Im Vorfeld hatten wir dazu viele Arbeitgeber aus der ambulanten und stationären Pflege sowie aus Krankenhäusern eingeladen, um herauszufinden, wie groß das Interesse daran ist. Resultat: Das Interesse ist riesig! Jetzt kooperieren wir intensiv mit der Arbeitsagentur und dem Jobcenter, um die Ausbildungsplätze zur Pflegefachassistenz angemessen zu besetzen.

ARBEIT.NRW: Sind die Regionalagenturen Initiatoren und Treiber im Prozess der Fachkräfteoffensive?

Sagen wir es so: Die Regionalagentur bringt die zahlreichen regionalen Akteure im Rahmen der Landesarbeitspolitik an einen Tisch. Sie unterstützt und fördert den Aufbau und die Pflege regionaler Kooperationen und Netzwerke. Sie engagiert sich für die erfolgreiche Umsetzung von Landesprogrammen in der Emscher-Lippe-Region. Unsere Besonderheit: Wir sind neutral. Wir organisieren, koordinieren und moderieren viele Prozesse im Handlungsfeld Fachkräftesicherung und werden auch selbst initiativ wie das Beispiel Teilzeitausbildung im Pflegesektor zeigt. Das alles gelingt am besten im Netzwerk und deswegen pflegen wir es auch gut. Übrigens: Unmittelbar nach der Fachveranstaltung Wasserstoff haben uns Jobcenter angeschrieben und darum gebeten, ihnen weitere Informationen zum Thema zu schicken. Das Thema konnte offensichtlich gesetzt werden. 

Fachkräftetour - Minister Laumann in der Region Emscher-Lippe, Bericht und Fotogalerie