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Zusammen im Quartier (ZiQ) – Erfahrungen, Ergebnisse, Angebote

Gruppenfoto Lars Czommer und Lisa Bartling, G.I.B.

„Von der Kreativität der ZiQ-Projekte waren wir überwältigt“ – Fachliche Begleitung der G.I.B.

Interview mit Lisa Bartling und Lars Czommer, Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (G.I.B.), zum Programm ZiQ, gefördert durch den Europäischen Sozialfonds (ESF)

Das Programm "Zusammen im Quartier - Kinder stärken - Zukunft sichern“ (kurz ZiQ) wird von der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (G.I.B.) fachlich begleitet. Im Interview erläutern Lisa Bartling und Lars Czommer von der G.I.B., wie in den beteiligten Projekten das Förderprogramm erfolgreich umgesetzt wird, auch unter Pandemie-Bedingungen. Armut bekämpfen im Quartier – ZiQ zeigt, wie Hilfe bei armutsgefährdeten Menschen ankommt.

ARBEIT.NRW: Die Corona-Pandemie hat einmal mehr gezeigt, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgeht. Wie kann hier ein Förderprogramm, das darauf zielt Armut zu bekämpfen, wirksam ansetzen? Was sind die zentralen Bausteine des Förderprogramms "Zusammen im Quartier - Kinder stärken - Zukunft sichern“?

Porträt Lisa Bartling, G.I.B.

G.I.B.: Lisa Bartling: Ausgangspunkt des ZIQ-Programms ist die zentrale Erkenntnis, dass sich soziale Benachteiligung kleinräumig darstellt. Dabei kommt es nicht allein auf die Situation in der gesamten Kommune an. Vielmehr ist sehr genau zu betrachten, wo sich welche Herausforderungen in den einzelnen Quartieren ballen, um dann genau die Orte zu identifizieren, wo es wichtig ist, die Chancen auf soziale Teilhabe und damit für möglichst gleichwertige Lebenschancen zu erhöhen. Mit dieser Orientierung sind die ZIQ-Projekte an den Start gegangen.

Lars Czommer: Die ZIQ-Projekte sind entlang von zwei Bausteinen aufgestellt: Da ist zunächst der Baustein 1 „Aktive Nachbarschaft – Bezugspersonen im Quartier“ und meint das Angebot von Quartierskümmerinnen oder Quartierskümmerern. Baustein 2 zielt auf gesundes Aufwachsen im Quartier und meint Unterstützung für eine ganzheitliche Gesundheitsförderung der Zielgruppe. Die in den Projekten entwickelten Angebote sind passgenau, niederschwellig und haben aufsuchenden Charakter. Konkret heißt das: Es wird geschaut, was gibt es schon im Stadtteil, was kann zusätzlich implementiert werden, welche bestehenden Netzwerke können einbezogen werden. Wir haben also ein ganz breites Spektrum.

Lisa Bartling: Die ZIQ-Angebote richten sich an Kinder, Jugendliche und Familien, die von Armut bedroht oder betroffen sind. Bekannt ist, dass diese Zielgruppe vorhandene Angebote seltener oder gar nicht wahrnimmt, weil die Hürden zu hoch sind. So werden beispielsweise Beratungsstellen, die außerhalb des Quartiers etwa zentral im Rathaus angesiedelt sind, häufig nicht besucht. Deshalb haben wir bei ZIQ den Ansatz: Wir müssen im Quartier vor Ort sein, damit wir die Unterstützungsangebote an die Leute bringen können. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Menschen zu uns kommen, sondern wir müssen zu den Menschen gehen.

Lars Czommer: Stabile Geh-und-Komm-Strukturen, wie wir das nennen, sind wichtig, und es hat sich als hilfreich erwiesen, hier auch unkonventionell unterwegs zu sein. D.h. auf die Spielplätze zu gehen, um etwa Jugendliche anzusprechen. Auch auf Schulhöfe oder Parkanlagen, die als Spielplätze oder Treffpunkte genutzt werden, also an die Orte zu gehen, wo sich die jeweilige Zielgruppe aufhält. Gepaart mit niederschwelligen Angeboten in bestehenden Einrichtungen kann so eine wirkungsvolle Unterstützung zustande kommen.

ARBEIT.NRW: Unter den Pandemie-Bedingungen ist eine Umsetzung für die Träger nicht ganz einfach. Sie haben daher die Träger nach ihren Erfahrungen in den beiden Corona-Lockdowns befragt. Was zeigen die Befragungsergebnisse?

G.I.B.: Lisa Bartling: Wie alle Projekte im Bereich der sozialen Arbeit standen auch die ZIQ-Projekte vor immensen Herausforderungen. Bei der Auswertung der Befragungen waren wir aber überwältigt von der Kreativität, die die Projekte an den Tag gelegt haben: Die meisten Projekte haben digitale Angebote konzipiert und ihre Inhalte so umgestellt, dass sie über die verschiedenen sozialen Medien erreichbar sind. Das erweist sich zugleich als eine Herausforderung, da nicht alle Familien über eine entsprechende technische Ausstattung verfügen oder nur ein Handy für die gesamte Familie haben. Gleichzeitig war und ist es umso bedeutender, im Quartier sichtbar zu sein und die Kontakte aufrechtzuerhalten, etwa durch Fenster- und Balkongespräche. Für dieses Präsent-Sein im Quartier gibt es viele positive Rückmeldungen.

Lars Czommer, G.I.B., Porträt

Lars Czommer: Unter den Bedingungen des Lockdowns haben sich vor allem die Quartiersspaziergänge als etwas ganz Besonderes herauskristallisiert. Denn sie bieten die Möglichkeit, sehr niederschwellig direkt in den Austausch zu kommen und Beratungsgespräche ‚on the walk‘ durchzuführen oder in andere bestehende Angebote etwa im Übergang Schule-Beruf weiterzuvermitteln. Über diese Spaziergänge können die Bewohnerinnen und Bewohner ihr Quartier vielfach neu entdecken und sich mit ihrem Wohnquartier vielleicht erstmals identifizieren. Das kann durchaus ein Geschenk sein und das Interesse an sozialer Teilhabe erhöhen.

ARBEIT.NRW: Sie gehören zum Team Armutsbekämpfung und Sozialplanung der G.I.B. und begleiten als Beratende das Förderprogramm ZIQ. Wie können Träger oder die Projekte vor Ort von Ihrer Unterstützung profitieren, wie sieht die fachliche Begleitung konkret aus, welche Angebote gibt es?

G.I.B.: Lisa Bartling: Es sind 120 Projekte, die gefördert werden, und wir sind für die Begleitung des Förderprogramms zuständig. Wir beraten die Projekte nicht einzeln und vor Ort. Wir bieten vielmehr unterschiedliche Formate an, um den Erfahrungsaustausch sicherzustellen. Herzstück sind die ZIQ-Zirkeltreffen, die wir dreimal im Jahr einberufen und die sich am regionalen Zuschnitt orientieren. Das Angebot wird von den Projekten und Trägern als sehr bereichernd wahrgenommen und auch als gute Möglichkeit gesehen, über den eigenen Tellerrand zu schauen.
Zu erwähnen ist, dass das Spektrum der Träger im Förderprogramm ZIQ sehr heterogen ist. Es gibt die großen Träger wie Caritas, Diakonie und AWO, aber auch Kleinstvereine wie Nachbarschaftszusammenschlüsse, Sportvereine und Theatereinrichtungen, sogar die Universität Siegen ist mit einem Projekt dabei. Das Positive ist sicherlich, dass auch kleinere Träger ihre Projekte platzieren können.

Zitat:
Das Spektrum der Träger im Programm ZIQ ist sehr heterogen. Auch kleinere Träger können ihre Projekte platzieren.

Lars Czommer: Die Zirkeltreffen bieten uns als fachlich Beratenden und auch dem Ministerium, das generell an den Treffen teilnimmt, die Möglichkeit, mehr über die Situation vor Ort zu erfahren und bestimmte Themen gezielt zu bearbeiten. Beim nächsten Treffen wird es um das Thema Corona und die sozialen Folgen gehen. Darüber hinaus führen wir Befragungen durch, erstellen verschiedene Materialien und Handouts für die Träger und versuchen so die Projektarbeit auch qualitativ zu stärken. Als Ansprechpersonen unterstützen wir die Projekte bei besonderen Anliegen, etwa wenn sie mit der Kommune enger zusammenarbeiten oder sich besser vernetzen möchten.
Sehr schön ist natürlich auch, dass die Projekt-Steckbriefe inzwischen im Internet über eine Landkarte zu finden sind und die Träger sich so informieren und untereinander Kontakt aufnehmen können.

ARBEIT.NRW: Wie geht es mit dem Förderprogramm weiter, welche Perspektiven gibt es über das Jahr 2021 hinaus?

G.I.B.: Lisa Bartling: Über das Corona-Hilfsprogramm REACT-EU gibt es jetzt eine Verlängerung bis Ende 2022. Das freut uns natürlich sehr. Die Projekte haben so eine etwas längere Perspektive und können ihre Arbeit nachhaltiger umsetzen. Schließlich ist schon jetzt deutlich, dass die Zielgruppe, die durch ZIQ unterstützt wird, in erheblichem Maße von der Corona-Pandemie betroffen ist und die Benachteiligung sich verstärkt hat. Das bestätigen nicht nur wissenschaftliche Studien, sondern auch die praktischen Erfahrungen in den Projekten.

Zitat:
Die Mittel aus dem Corona-Hilfsprogramm REACT-EU sind in dem Programm ZIQ wunderbar passgenau eingesetzt.

Lars Czommer: Die ZIQ-Projekte haben gezeigt, dass sie dem Isolationsschub, der mit der Corona-Pandemie einhergeht, entgegenwirken und gezielte Unterstützung für armutsbedrohte Kinder und Familien bieten können. Insofern sind die Mittel aus dem Corona-Hilfsprogramm REACT-EU hier wunderbar passgenau eingesetzt und stärken vor allem diejenigen Menschen, die durch die Corona-Krise besonders benachteiligt sind. Das würde ich als Punktlandung bezeichnen.

Lisa Bartling: Ja, definitiv!