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Welttag für menschenwürdige Arbeit in NRW - Kongress

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Welttag für menschenwürdige Arbeit - Kongress in Rheda-Wiedenbrück

Welttag für menschenwürdige Arbeit am 07. Oktober 2024

Mit finanzieller Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union fand am 7. Oktober 2024, dem „Welttag für menschenwürdige Arbeit“, in Rheda-Wiedenbrück ein Kongress statt. Im Mittelpunkt stand die Arbeit der Beratungsstrukturen und Kontrollbehörden in Nordrhein-Westfalen und deren Erfolge im Einsatz gegen ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse. 

Land der menschenwürdigen Arbeit – Nordrhein-Westfalen kämpft für faire Arbeit und gegen Arbeitsausbeutung

Ungerechte Bezahlung, massives Überschreiten der maximalen Arbeitszeit, dauerhaft überhöhtes Arbeitstempo und miserable Unterkünfte zu hohen Mieten – auch das ist Teil der Arbeits- und Lebensrealität in Deutschland. Doch das Land NRW schaut nicht tatenlos zu, sondern handelt: Beratungsstrukturen und Kontrollbehörden gehen systematisch und effizient gegen ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse vor. Deren Arbeit und Erfolge standen im Zentrum der Veranstaltung in Rheda-Wiedenbrück.

Zwei Säulen im Kampf gegen Arbeitsausbeutung

In Nordrhein-Westfalen, darauf wies Karl-Josef Laumann in seiner Eröffnungsrede hin, gibt es mit den 53 Beratungsstellen Arbeit ein deutschlandweit einmaliges Beratungsnetzwerk für Beschäftigte, die unter unwürdigen Bedingungen arbeiten. Die Einrichtungen sind in jedem Kreis des Landes vertreten.12.000 Beratungen fanden hier seit 2023 allein im Kontext von Arbeitsausbeutung statt! 

Ergänzt wird das Angebot der hier tätigen Beraterinnen und Beratern durch Projekte bei „Arbeit und Leben“, einer Kooperation von DGB und Volkshochschulen, die ein muttersprachliches Beratungsangebot für Arbeitsmigrantinnen und -migranten bereitstellen, sowie die Rechtsberatung des Vereins „Aktion Würde und Gerechtigkeit“. Insgesamt arbeiten 2024 etwa 120 Personen in dem Netzwerk, das vom Land NRW mit rund zehn Millionen Euro an ESF- und Landesmitteln gefördert wird.

Die Arbeitsschutzverwaltung ist die staatliche Säule in Nordrhein-Westfalen, die sich intensiv für menschenwürdige Arbeit und gegen Arbeitsausbeutung einsetzt.  Minister Karl-Josef Laumann stellte heraus, dass der Staatliche Arbeitsschutz den Fokus auf die Arbeitsbedingungen in den prekären Arbeitsverhältnissen setzt. 

„Mit der Schwerpunktsetzung des Arbeitsschutzes gegen Arbeitsausbeutung in prekären Arbeitsverhältnissen“, erklärte der Minister, „sorgen wir als Staat für eine Stärkung der guten Arbeitgeber. Sie dürfen nicht durch verantwortungsloses Unterlaufen des Arbeitsschutzes von anderen im Wettbewerb geschädigt werden.“

„Netzwerkarbeit ist essenziell“

 Wie das alles in der Praxis aussieht, illustrierten anschließend Beraterinnen aus den vom MAGS geförderten Projekten sowie Vertreter aus dem staatlichen Arbeitsschutz. 

Minela Dalipi von der Beratungsstelle Arbeit Bonn merkte an, dass jeder vierten Anfrage in ihrer Einrichtung ein arbeitsrechtliches Thema zugrunde liege. Angesichts der Komplexität von Fällen ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse ist die individuelle Begleitung oft zeitaufwändig und erfordert die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen. Netzwerkarbeit ist für sie deshalb „essenziell“. 

Von besonders „krassen Fällen“ der Arbeitsausbeutung bis hin zum Menschenhandel wusste Elena Strato, Bildungsreferentin bei „Arbeit und Leben NRW - Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten“ zu berichten. Um Betroffene besser zu erreichen, „gehen wir dorthin, wo die Menschen sind: An die Werkstore, auf Raststätten oder auf die Felder.“ Aus dem gleichen Grund hat die Einrichtung ihre muttersprachliche Beratung jüngst um das Online-Angebot „Arbeitsmigration fair begleiten“ ergänzt, das bereits vor der Anwerbung über Arbeitsrecht in Deutschland aufklärt.

Eng mit den Beratungsstellen zusammen arbeiten Jürgen Thier und Jan Seidel vom MAGS NRW, dort zuständig für den Bereich Arbeitsschutz. Für sie ist behörden- und grenzübergreifende Zusammenarbeit „eine Selbstverständlichkeit“. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz, das seit 2021 Fremdpersonal im Kerngeschäft der Fleischindustrie verbietet, hat auch zu einer Veränderung ihrer eigenen Arbeitsabläufe geführt: „Statt spezielle Fachgesetze und Verordnungen zu prüfen, wird heute branchenorientiert und vorschriftenübergreifend geprüft.“ 

„Gemeinsam sind wir schlagkräftiger“ 

Mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz hat sich nach Einschätzung von Dr. Alexandru Zidaru von der Gewerkschaft NGG die Rechtslage eindeutig verbessert, und Szabolcs Sepsi von „Faire Mobilität“, einem Beratungsnetzwerk des DGB in diesem Handlungsfeld, plädierte dafür, die Bestimmungen des Gesetzes auch auf andere Branchen zu übertragen. 

Für Steffen Röddecke, Gruppenleiter „Arbeitsschutz“ im MAGS NRW, gehört zu guter Arbeit und Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten „mehr, als nur die Gesetze einzuhalten“, sondern auch eine Selbstverpflichtung und die müsse auch die Übernahme von Verantwortung für Subunternehmen umfassen. Weil hier Verstöße gegen den Arbeitsschutz alles andere als eine Ausnahme sind, kündigte er „Überwachungsaktionen insbesondere bei Subunternehmen“ an.

Über Ergebnisse der Überwachungsaktion „Gemeinschaftsunterkünfte“ und die Überwachungsaktion „Faire Arbeit in der Fleischindustrie“ referierte MAGS-Mitarbeiter Jan Seidel. Bei Letzterer wurden 2019 in 26 von 30 untersuchten Großbetrieben gravierende Mängel festgestellt: von Arbeitszeitverstößen über fehlende arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen bis hin zu technischen, teils lebensgefährlichen Arbeitsschutzmängeln.

Die Vorteile behördenübergreifender Zusammenarbeit dokumentierten mit ihren Beiträgen ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes NRW - verantwortlich für das Thema Menschenhandel im Kontext von Arbeitsausbeutung - sowie Scott Schwickert vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, dort zuständig etwa dann, wenn es um „Problemimmobilien“ und menschenwürdige Unterkünfte geht. Sie teilen mit Steffen Röddecke die Erkenntnis, dass sich Verstöße oft im Grenzbereich von Zuständigkeiten bewegen. Deshalb gilt für sie: „Gemeinsam sind wir schlagkräftiger.“

„Menschenwürdige Arbeit bedarf der gesetzlichen Regelung“

Aber auch Positivbeispiele waren Gegenstand der Podiumsgespräche in wechselnden Konstellationen. Dafür stand etwa Martin Klingen von der Gi Group Deutschland GmbH und zugleich Vorstandsmitglied des Gesamtverbands der Personaldienstleister. Er hob hervor, dass in der lange umstrittenen Branche Zeitarbeit heute 90 Prozent der Betriebe tarifgebunden sind und der „Pay Gap“ zwischen Beschäftigten in der Zeitarbeit und der Stammbelegschaft „fast nivelliert“ sei.

Gute Arbeit, befand Dr. Thomas Ogilvie, Vorstand Personal DHL Group, „muss organisiert werden im Diskurs der Sozialpartner. Nicht zuletzt, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.“ Ein Siegel für gute Arbeit in der Paktbranche ist in seinen Augen „eine gute Idee.“ Neben einer lückenlosen Zeiterfassung bedarf es nach seiner Überzeugung zudem weiterer Überlegungen zum altersgerechten Arbeiten in der Branche mit ihren für sie typischen starken körperlichen Belastungen. 

Andreas Schumann, Vorsitzender des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste e.V., verwies wiederum auf „fehlende gewerkschaftliche Strukturen in der Branche“, so dass Beschäftigte oft ihren Arbeitgebern ausgeliefert sind. Deshalb ist für ihn klar: „Menschenwürdige Arbeit darf keine Frage von Absprachen sein, sondern bedarf der gesetzlichen Regelung.“

„Der Mensch steht im Mittelpunkt“

„Die Vergessenen - Kampf für Würde und Gerechtigkeit“, so hatte Prälat Peter Kossen, Vorsitzender des Vereins "Aktion Würde & Gerechtigkeit" seinen Impuls-Vortrag betitelt. Er plädierte dafür, „Migration nicht nur als Problem, sondern angesichts des demografischen Wandels auch als Chance zu sehen“. Zugleich sprach er sich dafür aus, „Menschen nicht nur nach ihrer Arbeitskraft zu bewerten“ und „nicht alles dem freien Spiel der Kräfte und dem Markt zu überlassen, denn: Wo keine Kontrolle, da wird ausgebeutet und betrogen.“ 

Am abschließenden Podiumsgespräch nahm er ebenso teil wie Anke Unger, stellvertretende Vorsitzende DGB NRW. Sie regte an, über die Fleischindustrie hinaus auch andere Branchen stärker in den Blick zu nehmen, so zum Beispiel das Baugewerbe oder den Bereich häusliche Pflege, „wo teils noch Wilder Westen herrscht.“ 

Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer von unternehmer nrw, bekräftigte, dass „Arbeitsschutz und Mitbestimmung auch im Interesse der Arbeitgeber sind“, warnte jedoch zugleich vor „Überregulierungen und Generalverdacht“. 

Auch Minister Laumann attestierte insbesondere den vielen Familienunternehmen im Land „in der Regel großes Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihren Beschäftigten“. Dennoch werde sein Ministerium „weiterhin sehr wachsam und konsequent unfaire Verhältnisse in der Arbeitswelt bekämpfen.“ Dazu kündigte er die Stärkung des Arbeitsschutzes sowie eine höhere Kontrolldichte an, denn daran ließ Karl-Josef Laumann keinen Zweifel: „Wir stehen auf der Seite der fleißigen Leute.“