Teilzeitberufsausbildung zum KFZ-Mechatroniker
Teilzeitberufsausbildung - Einstieg begleiten - Perspektiven öffnen (TEP) – gefördert aus Mitteln des Landes und der Europäischen Union - Praxisbeispiel aus Minden
Menschen mit Familienverantwortung haben es oft besonders schwer, ihren Wunsch nach einer Berufsausbildung zu realisieren. Durch die Unterstützung des Programms "Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen" (TEP) aber, gefördert aus Mitteln des Landes und der Europäischen Union, kann es gelingen. Davon profitieren Teilnehmende wie Matthias Zielke genauso wie Fachkräfte suchende Betriebe.
TEP-Programm für junge Menschen mit Familienverantwortung – Teilzeitausbildung zum KFZ-Mechatroniker
Reibungslos verlief der Übergang von der Schule in den Beruf für Matthias Zielke nicht. Zwar hatte er direkt nach dem Erwerb der Fachoberschulreife eine Ausbildung zum Dachdecker begonnen, doch schon kurz danach wieder abgebrochen: „Der Beruf war einfach nicht der richtige für mich“, sagt der heute 26jährige im Rückblick.
Was folgte, waren Jahre wechselnder Tätigkeiten in den unterschiedlichsten Gewerken. Seinen Wunsch, eine duale Berufsausbildung zu absolvieren, hat er jedoch nie aufgegeben. Im Gegenteil: Nach der Geburt seines Kindes suchte er erst recht nach einer zukunftssicheren Lösung. Doch auf unzählige Bewerbungen erhielt der Alleinerziehende nur Absagen: „Wegen meiner alleinigen Verantwortung für das Kind sei ich nicht im Schichtdienst einsetzbar“, nennt Matthias Zielke den dafür von den Betrieben am häufigsten genannten Grund.
In dieser fast aussichtslosen Lage wusste das Jobcenter Minden-Lübbecke Rat, stellte ihm das Programm „Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen“ vor, kurz „TEP“ genannt. Tatsächlich sollte sich das Landesprogramm für Matthias Zielke als Patentrezept erweisen.
Umfassende Unterstützung
Zielgruppen von TEP sind unter anderem Mütter und Väter mit Kindern oder Menschen, die Angehörige pflegen, also Menschen, deren persönliche Situation nicht zulässt, eine Ausbildung in Vollzeit zu absolvieren. Wichtig dabei: Je nach reduzierter Stundenzahl verlängert sich unter Umständen die Ausbildungszeit.
Programm-Teilnehmende finden bei ausgewählten Trägern kostenlose Unterstützung. Die Träger unterstützen bei Bedarf bei der Organisation der Kinderbetreuung, vermitteln zwischen Ausbildenden und Auszubildenden und fördern die Kompetenzen der Teilnehmenden.
Zuständig im Fall von Matthias Zielke war die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe in Minden. Hier engagiert sich Heike Gersthagen, pädagogische Mitarbeiterin im Geschäftsfeld Beratung Betreuung Förderung, professionell für die Teilnehmenden: „In einem praxisorientierten Kompetenzcheck testen wir ihre beruflichen Kompetenzen und erstellen ein Stärken- und Schwächenprofil. Wir helfen ihnen beim Berufswahlprozess und einer marktbezogenen Einschätzung Ihrer Chancen.“ Als besonders hilfreich hat sich dabei der Einsatz des „Talentkompass NRW“ erwiesen.
Im Fall von Matthias Zielke war der konkrete Wunschberuf schnell gefunden: auf jeden Fall etwas Handwerkliches, am besten Kfz-Mechatroniker. „Herr Zielke war von Beginn an gut organisiert“, sagt die Coachin über den Teilnehmenden, der neben der Berufsklärung vor allem von der Unterstützung bei der Beantragung von Förderzuschüssen für die Betreuung seines heute vierjährigen Sohns profitierte.
Doch so unkompliziert wie hier ist die Unterstützung längst nicht bei allen Teilnehmenden, weiß die Coachin aus Erfahrung: „Manche junge Menschen sind einfach von ihrer gesamten Lebenslage überfordert und einige sind nicht einmal mehr in der Lage, offizielle Briefe zu öffnen. Deshalb besprechen wir mit ihnen ausführlich ihre aktuelle Lebenssituation und unterstützen sie bei der Lösung ihrer Probleme.“
Dazu zählen ganz praktische Lebenshilfen wie etwa die Beratung im Fall von Schulden, die Reduktion von Stress, das Herausfinden, welche Arbeitsumgebung für sie am besten geeignet ist, aber auch der Erwerb von Lerntechniken und natürlich die Erstellung optimaler Bewerbungsunterlagen. „Doch wir zwingen niemandem etwas auf, sondern agieren je nach tatsächlichem Bedarf“, so Heike Gersthagen, die zugleich Heilpraktikerin in Psychotherapie, Kommunikationstrainerin und Wirtschaftsmediatorin ist: „Für viele ergeben sich über das Coaching völlig neue positive Perspektiven.“
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Flexibler Betrieb
Im Zentrum des Unterstützungsportfolios steht neben dem Coaching die gemeinsame Suche nach einem Ausbildungsplatz in Teilzeit. „Dazu nutzen wir unsere langjährigen Kontakte zur regionalen Wirtschaft“, berichtet die Coachin. Für Matthias Zielke fand sich schon bald ein passender Ausbildungsbetrieb: die Städtischen Betriebe Minden. Hier ist Jessica Scholz Leiterin der Abteilung Betriebshof und Fuhrpark, wo der TEP-Teilnehmende seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker mit der Fachrichtung Nutzfahrzeuge absolviert: „Wir suchten einen Auszubildenden und Herr Zielke schien bestens geeignet“, erzählt die Abteilungsleiterin kurz und bündig über den zügigen Einstellungsprozess. „Da er aufgrund seiner persönlichen Situation keine Vollzeitausbildung leisten konnte, haben wir uns für die Teilzeitberufsausbildung entschieden.“
Für den Betrieb war das die erste Erfahrung mit dem Landesprogramm, „doch alles“, so die Abteilungsleiterin, „verlief reibungslos.“ Festzulegen war nurmehr die genaue Stundenzahl. Auch hier war schnell eine Lösung gefunden. Demnach wird die wöchentliche Stundenzahl, die Matthias Zielke in Betrieb und Berufsschule zubringt, auf 34 reduziert.
Hinzu kommen drei Stunden, die er im Homeoffice arbeiten kann. In dieser Zeit führt er sein Berichtsheft sowie die digitalen Kenntnisnachweise mittels der „Autofachmann-App“, eines monatlich erscheinenden Ausbildungsmediums des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes. Matthias Zielke: „Die zeitliche Regelung erlaubt mir, mein Kind vor Arbeitsbeginn zur Kita zu bringen und nachmittags wieder rechtzeitig zu Hause zu sein.“
Für den Betrieb war die zeitliche Flexibilisierung überhaupt kein Problem, versichert Uwe Riensch, Ausbilder und Werkstattleiter der Städtischen Betriebe mit gleich drei Meistertiteln: „Matthias Zielke ist wissbegierig und ein sehr guter Lehrling. Wir kriegen das gedreht und es funktioniert sehr gut. Der Auszubildende bekommt morgens seine Arbeit zugeteilt, kann seine Berichtshefte führen und lernt alles, was im Ausbildungsrahmenplan festgelegt ist.“ Auch die anderen zehn Beschäftigten in dem Bereich kommen mit der Regelung bestens klar. Uwe Riensch: „Wir ziehen alle an einem Strang!“
Teilzeitberufsausbildung als Element zur Fachkräftesicherung
Sollte sich doch mal herausstellen, fügt Abteilungsleiterin Jessica Scholz eine rein theoretische Überlegung ein, dass ein Auszubildender in Teilzeit mit dem umfangreichen Wissensstoff im Kfz-Handwerk oder aufgrund seiner persönlichen Situation nicht so richtig fertig wird, „könnten wir überlegen, die Stundenzahl doch weiter zu reduzieren oder wir könnten Nachhilfestunden anbieten. Wir könnten also immer situativ reagieren - so wie bei allen anderen unserer Auszubildenden auch.“
Für Betriebe kann die Teilzeitberufsausbildung nach ihrer Einschätzung ein Element der Fachkräftestrategie sein. Bei Berufen im Bereich der Kfz-Mechatronik ist es nach ihren Angaben nicht so schwierig, geeignete Auszubildende zu finden. Anders sieht es schon bei manchen anderen der von ihrem Unternehmen angebotenen Ausbildungsberufe wie etwa bei den Umwelttechnologinnen und -technologen für die Abwasserwirtschaft aus: „Insofern könnten Betriebe, die nur schwer Auszubildende finden, ruhig auch mal das Thema Teilzeitberufsausbildung in ihre Überlegungen mit einbeziehen.“