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Digitalisierung optimal vorbereiten. Potentialberatung in der Firma „tischlerei formsache“

Zwei Männer im Gespräch

Bielefelder Tischlerei nutzt Potentialberatung. Vorbereitung zur Digitalisierung der Kapazitätsplanung und -steuerung

ESF-geförderte Potentialberatung unterstützt kleine und mittlere Betriebe bei der Digitalisierung – auch Handwerksbetriebe profitieren

Die „tischlerei formsache“, ein mittelständischer Betrieb in Ostwestfalen-Lippe, hat eine vom Land Nordrhein-Westfalen mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderte Potentialberatung in Anspruch genommen. Das hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Betrieb die digitalisierte Kapazitätsplanung und -steuerung des gesamten Unternehmens vorbereiten und umsetzen kann.

Qualität überzeugt: Die hochwertigen Produkte der Bielefelder Firma „tischlerei formsache“ sind in vielen Privat- und Gewerberäumen zu finden, in Arztpraxen, Hotels oder Gastronomiebetrieben zum Beispiel und bald auch in der Kölner Oper. Kunden wissen das All-inclusive-Angebot vom Entwurf über 3 D-Planung und Fertigung mittels digital gesteuerter Maschinen bis hin zur Montage offensichtlich zu schätzen, wobei ihnen mit modernster Software erstellte Renderings, also fotorealistischen Computergrafiken, schon vor der Produktion das neue Interieur sinnlich vor Augen führen. So auch bei der Einrichtung eines Show-Rooms für die Firma Playmobil im kanadischen Toronto - Beleg für das erfolgreiche Agieren des ostwestfälischen Betriebs auch am internationalen Markt.

Vor rund 20 Jahren hatte Tischlermeister Ralph Sauer das Unternehmen gegründet und bei steigendem Umsatz und wachsendem Personal sukzessive ausgebaut. Heute beschäftigte der Betrieb 39 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bildet Jugendliche zu Tischlern und neuerdings auch zur Kauffrau im Büromanagement aus.

Alles bestens also, doch irgendwann, spürte der Firmenchef, „lief etwas nicht mehr rund. Arbeitsorganisation und Arbeitsabläufe waren nicht mehr auf dem gleichen hohen Niveau wie die Produkte und die Qualität der Arbeit selbst.“ Der Unternehmer zog die richtige Konsequenz und nahm, von Andreas Lühmann von der örtlichen Regionalagentur detailliert über die Vorteile des Förderangebots informiert, eine Potentialberatung in Anspruch.

Organisationsoptimierung und Ressourceneffizienz

Beauftragt wurde mit der Potentialberatung das Bielefelder Beratungsunternehmen „K f U - Konzepte für Unternehmen“. Für dessen Geschäftsführer Wilhelm Heidbrede ist der von Unternehmer Ralph Sauer genannte Anlass, eine Potentialberatung in Anspruch zu nehmen, ein bekanntes Phänomen: „Fast alle Betriebsinhaber meinen, ihren Betrieb und ihre Beschäftigten am besten zu kennen. Da ist natürlich auch etwas dran. Aber die gründliche Analyse von Externen bringt oft ganz neue Erkenntnisse ans Licht.“

So auch hier, denn eine Potentialberatung nimmt immer das Unternehmen als Ganzes in den Blick, bindet obligatorisch die Beschäftigten mit ein, in der Firma „tischlerei formsache“ also das komplette Team aus Innenarchitekten, Tischlern, Holztechnikern und Lackierern. Zum Einsatz kam dabei der Unternehmens-Check der „Offensive Mittelstand“. Nach Ansicht von Berater Wilhelm Heidbrede „lässt er sich bestens mit der Potentialberatung kombinieren, denn: „Auch hier geht es darum, Organisation und Arbeitsgestaltung zu verbessern.“

Die Auswertung des Checks, ergänzt um Erkenntnisse aus intensiven Gesprächen mit den Betriebs-, Werkstatt- und Projektleitern zeigte neben den bekannten Stärken des Betriebs gleich mehrere bislang unbemerkte Defizite, die sich als Folge der permanenten Betriebserweiterungen eingeschlichen hatten. Dazu zählte zum Beispiel der ungenaue Zuschnitt von Aufgaben- und Kompetenzbereichen und daraus resultierende Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der teils verschwenderische Umgang mit hochwertigen und daher kostenträchtigen Materialien, suboptimal zueinander aufgestellte Maschinen, eine wenig effiziente Lagerhaltung sowie Stresssituationen im überbelegten Großraumbüro.

Gemeinsam mit Firmenchef Ralph Sauer und seinem Personal entwickelte Wilhelm Heidbrede im Rahmen der Potentialberatung die Basis für ein Qualitätsmanagementsystem, das detaillierte Arbeitsplatzbeschreibungen für jeden einzelnen Mitarbeiter umfasst, deren Kompetenzen, Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse klar benennt und eindeutig voneinander abgegrenzt - „alles dokumentiert auf Papier“, so der Berater, „so dass jede und jeder Beschäftigte optisch sehen kann, wer wofür zuständig und verantwortlich ist.“ Auch personell gab es eine Veränderung: Ein zusätzlicher Mitarbeiter für den Vertrieb wurde eingestellt.

Ergänzt wurde das Konzept durch eine Neuanordnung der Maschinen sowie durch räumliche Umgestaltungen, die zur Entzerrung und Stressminderung im Großraumbüro beigetragen haben. Hinzu kamen die Entwicklung eines neuen Formularwesens sowie eine optimierte Lagerhaltung als Resultat eines gemeinsam mit der Effizienz-Agentur NRW umgesetzten Ressourceneffizienzprojekts mit dem Titel: „Optimierung der Fertigungsabläufe und die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter in verschwendungsarmen Arbeitsmethoden“.

Schon bald zeigten die Maßnahmen Wirkung: Die Zufriedenheit der Beschäftigten nahm zu, die so schon geringe Reklamationsquote ging noch einmal weiter zurück. Im Gegensatz dazu stiegen Umsatz und Gewinn, wobei die Steigerung des Gewinns eklatant höher als die des Umsatzes war, „weil“, so Unternehmer und Berater unisono, „jetzt alle Abläufe optimal ineinandergreifen, ein wirklicher flow in der Maschinenbedienung besteht und weil es dem neuen Vertriebler gelungen ist, zusätzliche Auftraggeber zu gewinnen.“

Vorbereitungen für die weitere Digitalisierung

Gerne hätte Unternehmer Ralph Sauer gleich anschließend eine zweite Potentialberatung genutzt, doch das war so rasch hintereinander aus fördertechnischen Gründen nicht möglich. Deshalb entschied er sich für eine Beratung über das Programm „unternehmensWert: Mensch plus“. Ziel hier ist die Vorbereitung der weiteren Digitalisierung des Unternehmens, durchgeführt von Berater Albrecht Aupperle vom Institut für Prävention und Arbeitsfähigkeit (Iprevent), wie „K f U“ Mitglied im „KompetenzNetz e.V.“, einem Zusammenschluss von 20 qualifizierten Dienstleistern für mittelständische Unternehmen.

Berater Albrecht Aupperle bestätigt, dass die Potentialberatung „zweifellos eine gute Grundlage geschaffen hat für die weitere Digitalisierung des Betriebs. Zum einen aufgrund der daraus resultierenden und umgesetzten Maßnahmen, zum anderen wegen der Beteiligung der Beschäftigten. Das hat bei allen ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass jeder wichtig ist und jeder sich beteiligen sollte.“

Auch bei dieser Beratung wurde zunächst in einer großen Runde mit dem Betriebsinhaber und allen Beschäftigten offen besprochen, wo Digitalisierung eine reale Unterstützung leisten könnte. Themen wurden gesammelt und dann Schwerpunkte gesetzt, die anschließend in „Lern- und Experimentierraum“ genannten Kleingruppen, moderiert von Albrecht Aupperle, intensiver zu diskutieren waren.

Ein Thema war die digitale Zeiterfassung. Bislang notiert jeder Beschäftigte nach dem Kundeneinsatz auf einem Stundenzettel Arbeitsinhalte und Arbeitszeit, die später in Excel-Listen übertragen werden - ein fehleranfälliges System, das zukünftig, so die Überlegung, verbessert werden kann, indem Beschäftigte direkt beim Kunden über ihr Smartphone Beginn und Ende ihrer Tätigkeit an den Betrieb weitergeben.

Das zweite Thema betraf die Digitalisierung der Lagerhaltung. Der Berater: „Da der Betrieb sehr individuelle Kundenwünsche bedient und gleichzeitig mehrere Projekte laufen, ist es wichtig, über Bestellung, Warenannahme, Kontrolle und Registrierung der Warenannahme, Zuordnung und Lagerplätze sowie die Bezeichnung, Verwaltung und Aktualisierung der Lagerplätze, den Umgang mit Restmengen und die Bestellung von Reservematerialien den Überblick zu behalten und gut zu steuern.“ In der zuständigen Gruppe entwickelte Ideen sowie sorgsam überlegte Softwareerweiterungen garantieren jetzt diesen Überblick und tragen zusätzlich zur Arbeitserleichterung bei.

Die bislang umgesetzten Maßnahmen sind indes nur erste Schritte auf dem Weg zur weiteren Digitalisierung des Betriebs. Unternehmer Ralph Sauer erläutert, warum sie unverzichtbar ist: „Wir haben permanent einen Auftragsbestand von zwanzig verschiedenen Projekten, bei denen von der Arbeitsvorbereitung über die Produktion und die Lackiererei bis zur Montage und Abnahme in jeder Phase zu entscheiden ist, was wir wann genau mit welchen Mitarbeitern machen und welche Maschinen und Fahrzeuge wir einsetzen müssen. Das ist ein komplexes Gefüge, das zudem immer wieder durcheinandergewirbelt wird durch erkrankte Mitarbeiter, verschobene Liefertermine oder geänderte Kundenwünsche. Das alles erfolgt bislang über Excel-Listen, aber wir brauchen ein System, das uns viel früher Signale sendet, wann wir wo und wie eingreifen müssen. Um das zu entwickeln, werden wir mit der Universität oder der Fachhochschule zusammenarbeiten und den Transfergutschein des Spitzenclusters „it`s owl“ nutzen. Die Potentialberatung und die von „unternehmensWert: Mensch plus“ haben dafür gute Voraussetzungen geschaffen.“

„Sobald wir eine passende Software für eine digitalisierte Kapazitätsplanung und -steuerung gefunden haben, sagt Unternehmer Ralph Sauer weiter, „werden wir in sie investieren - und natürlich in die Weiterbildung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denn Digitalisierung kann ohne deren Qualifizierung nicht funktionieren.“