Arbeit.Gesundheit.Soziales.
Mit Menschen für Menschen.

Foto: Stand EIS LOUNGE in Maria Veen

"Inklusionsbetriebe sind Vorbilder im Umgang mit schwerbehinderten Menschen"

Jubiläumsveranstaltung am 12. November 2018 in Düsseldorf zum Landesprogramm "Integration unternehmen!" - Minister Laumann zieht Zwischenbilanz

Wirtschaftlicher Erfolg und soziales Engagement sind keine Gegensätze, das zeigt das Landesprogramm "Integration unternehmen!". Vor zehn Jahren brachte Arbeitsminister Karl-Josef Laumann das Programm auf den Weg, gemeinsam mit dem Landschaftsverband Rheinland, dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe und weiteren Partnern. Entstanden sind mehr als 1.700 Arbeitsplätze für Menschen mit schwerer Behinderung. Die Jubiläumsveranstaltung zog Zwischenbilanz und stellte erfolgreiche Inklusionsbetriebe vor.

Wirtschaftlicher Erfolg und soziales Engagement - Landesprogramm "Integration unternehmen!"

Ganz sicher war sich Minister Karl-Josef Laumann vor zehn Jahren nicht, als es um die Einschätzung der zukünftigen Erfolge des von ihm initiierten Landesprogramms "Integration unternehmen!" ging: „Ich hatte die Sorge“, räumte er bei der Jubiläumsveranstaltung der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (G.I.B.) - ihr obliegt die fachliche Begleitung des Programms - in Düsseldorf freimütig ein, „dass Inklusionsbetriebe wegen ihres sozialen Engagements für Menschen mit Schwerbehinderung am hart umkämpften Markt ökonomisch scheitern könnten, wenn sie die notwendige Wertschöpfung für die Beschäftigung nicht erzielen würden.“ Dazu ist es nicht gekommen, im Gegenteil: Die Insolvenzquote ist geringer als bei den Unternehmen insgesamt. Der Minister: „Unsere Rechnung ist also aufgegangen. Das Programm beweist: Inklusionsbetriebe sind zur Integration schwerbehinderter Menschen besonders geeignet. Und: Auch inklusive Betriebe können sich am Markt behaupten!“

„Gute Arbeitsplätze im besten Sinne des Wortes“

In der Tat - die Zahlen sind beeindruckend: Gab es zum Start des Programms im Jahr 2008 gerade einmal 100 Inklusionsbetriebe, sind es heute 300. Sie stellen in Nordrhein-Westfalen insgesamt rund 4.100 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zur Verfügung. 1.735 dieser Arbeitsplätze wurden aus dem Landesprogramm „Integration unternehmen!“ gefördert. Damit nimmt Nordrhein-Westfalen heute bundesweit einen Spitzenplatz ein.

Zurückzuführen sind die Erfolge nach Ansicht von Karl-Josef Laumann nicht zuletzt auf die gute Zusammenarbeit mit den beiden Landschaftsverbänden, ihren Integrationsfachdiensten und  mit der Handwerkskammer Münster und der FAF als betriebswirtschaftliche Beratungsstellen sowie mit der G.I.B. und weiteren Partnern. Ihnen galt der Dank des Ministers genauso wie jenen, „die mit Enthusiasmus Inklusionsbetriebe gegründet haben.“

Dass auch in Inklusionsbetrieben „eine reguläre, branchenübliche Entlohnung erfolgt und Tarife eingehalten werden“, so Karl-Josef Laumann, „war mir von Anfang an wichtig, denn auch schwer behinderte Menschen müssen von ihrem Lohn aus der Wertschöpfung leben können. Nur so ist es ein guter Arbeitsplatz im besten Sinne des Wortes.“

Inklusionsbetriebe in vielen Branchen

Welche guten Arbeitsplätze mittlerweile in Inklusionsbetrieben entstanden sind, davon konnte sich der Minister bei einem Rundgang überzeugen. Hier kam er an den Ständen von Inklusionsbetrieben aus allen Landesteilen mit deren Gründerinnen und Gründern sowie den dort Beschäftigten schwerbehinderten Menschen ins Gespräch, darunter die VIA Integration gGmbH, Aachen, mit den Arbeitsbereichen Bio-Gärtnerei, Gastronomie/Veranstaltungen, Bio-Verkauf und Alemannia-Fanshops; die Kiebitzhof GmbH, Gütersloh, mit verschiedenen Geschäftsbereichen wie Lebensmittel, Hausmeisterservice und Garten- und Landschaftsbau; die Eislounge Maria Veen, Reken, mit einer mobilen Eistheke für Großveranstaltungen; Moderne Floristik Steinbrecher, Waltrop, als Vorbildunternehmerin durch das Bundesministerium für Wirtschaft ausgezeichnet; sowie die hauswirtschaftlichen Bereiche an fünf Standorten des Pflegeunternehmens Carpe Diem mit Sitz in Wermelskirchen,  die Firma Garten- und Landschaftsbau Karl Mensing in Heek sowie das Kolpingwerk Paderborn als Betreiber von Hotels in Witten, Soest und Paderborn.

Ein weiteres vorgestelltes Unternehmen war die JOSEFS-Brauerei (heute: duplio gGmbH) im sauerländischen Olsberg. Hier sind acht sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung entstanden. Die Arbeit in der Getränkeproduktion ist anspruchsvoll und abwechslungsreich: sei es am Biersieder, im Gär- und Lagerkeller oder in der Fass-Füllerei. Nach einer Qualifizierungsphase bietet die JOSEFS-Brauerei auch ihren schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Chance, unter realen Marktbedingungen zu arbeiten.

Die Klaus Fischer Dreh-und Presstechnik GmbH wiederum produziert innerhalb einer Inklusionsabteilung spezielle, offene Fahrradschläuche mit zwei Enden. Das macht nach Angaben der Firma den Schlauchwechsel „kinderleicht“. Die Entlohnung der schwerbehinderten Beschäftigten erfolgt branchenüblich deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn. „Auf unsere schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, bekam der Minister zu hören, „können wir uns jederzeit verlassen. Sie haben übrigens die geringsten Fehlzeiten im Vergleich mit allen Beschäftigten in unserem Unternehmen.“

Dass ein vermeintliches Handicap zum Vorteil für viele führen kann, davon zeugte in Düsseldorf die discovering hands Service GmbH, ein Inklusionsbetrieb aus Mülheim. „discovering hands“ nutzt den überlegenen Tastsinn blinder oder sehbehinderter Frauen für die Brustkrebsfrüherkennung und bietet ihnen die Chance, sich zu Medizinisch-Taktilen Untersucherinnen ausbilden zu lassen. Bei ihrem späteren Einsatz in gynäkologischen Praxen und Kliniken entdecken sie bei Tastuntersuchungen der Brust deutlich mehr kleinere Gewebeveränderungen als Ärztinnen und Ärzte ohne Sehbehinderung und helfen so, Leben zu retten.

Kultur des Miteinanders

Die Vielfalt der Tätigkeitsfelder und Branchen, in denen Inklusionsbetriebe erfolgreich agieren, hob Claudia Middendorf, Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten, hervor. Für sie ist besonders wichtig, dass in Inklusionsbetrieben Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten: „Hier wird eine Kultur des Miteinanders, der gegenseitigen Wertschätzung gelebt, hier gilt das Motto: Gemeinsam sind wir stark!“ Inklusionsbetriebe tragen nach ihrer Meinung dazu bei, die von der UN-Behindertenrechtskonvention benannten Ziele zu erreichen: Eine unabhängige Lebensführung, die volle Teilnahme an allen Aspekten des Lebens und den gleichberechtigten Zugang zu allen Lebensbereichen.

Die Zahl schwerbehinderter Menschen im erwerbsfähigen Alter wird auch in den nächsten Jahren weiter steigen, stellte  Prof. Dr. Angela Faber, Dezernentin für Schulen und Integration beim Landschaftsverband Rheinland, fest. Für sie müsse ein passgenaues Angebot der Beschäftigungssicherung vorgehalten werden, wozu sie vor allem die Inklusionsbetriebe zählte: „Wir müssen als Gesellschaft die Fähigkeiten, die Stärken, die Expertise nutzen, über die viele schwer behinderte Menschen zweifellos verfügen. Das Beispiel von „discovering hands“ ist nur eins von vielen.“ Für die Expertin ist klar: „Inklusion ist eine Generationenaufgabe“, und sie versicherte: „Wir sind für schwerbehinderte Menschen und deren Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein verlässlicher Partner – dies bleibt unser Anspruch!“

Matthias Münning, Sozialdezernent beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe, betonte den über Jahre gewonnenen Erfahrungshorizont zu Inklusionsbetrieben. Ziel müsse sein, „sichere und dauerhafte Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen“ zu schaffen, deren Finanzierung langfristig abzusichern ist. Darin stimmte er mit Regina Schafmeister, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Inklusionsfirmen Nordrhein-Westfalen, überein. Sie sah die Inklusionsbetriebe insgesamt auf einem guten Weg: „Sie haben gesellschaftlich, aber auch volkswirtschaftlich mittlerweile eine enorme Bedeutung erlangt.“

So soll es auch in Zukunft sein: Das Landesprogramm "Integration unternehmen!" besteht fort. Aus guten Gründen, wie die Veranstaltung bewies, denn Inklusionsbetriebe, fasste Minister Laumann zusammen, „sind Vorbilder im Umgang mit schwerbehinderten Menschen.“