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Beratungsstelle Bonn (BSA) - Nicht länger schutzlos

Zwei Frauen stehen vor einem Gebäude

BSA Bonn - Nicht länger schutzlos und allein

Die Beratungsstellen Arbeit (BSA) werden aus Mitteln de Europäischen Union und des Landes gefördert

Die aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes geförderten Beratungsstellen Arbeit (BSA) sind ortsnahe Anlaufstellen und Baustein des Netzwerks gegen Arbeitsausbeutung. Die BSA Bonn verzeichnet eine steigende Zahl von Ratsuchenden, die von Arbeitsausbeutung betroffen sind. Rund 90 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund.

Beratungsstelle Arbeit (BSA) in Bonn - umfassendes Beratungsangebot

Allein sind sie nicht stark genug, ihre Arbeitsrechte durchzusetzen, die sie allzu oft gar nicht kennen. Das macht sie schnell zu Opfern ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse. Betroffen sind nicht nur, aber vor allem Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen und hier ohne Interessenvertretung sind. 

Ausbeuterische Arbeitsverhältnisse sind in allen Branchen zu finden, besonders oft in der Gastronomie, im Reinigungsgewerbe und in der Baubranche, bei Kurier- und Lieferdiensten sowie bei Zeitarbeit und in Mini- und Midijobs. All das gehört zum Erfahrungswissen von Minela Dalipi von der Beratungsstelle Arbeit in Bonn. Hier finden Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen Rat zu Qualifizierung und Beschäftigung sowie Unterstützung bei wirtschaftlichen, psychosozialen und rechtlichen Fragen. Zugleich sind die Beratungsstellen Teil des landesweiten Netzwerks gegen Arbeitsausbeutung.

Nach Angaben von Minela Dalipi nimmt das Beratungsaufkommen jährlich zu. Allein im ersten Halbjahr 2024 wurden hier rund 200 Personen beraten. Dauer und Intensität der Beratungen sind immer der Komplexität der Anliegen und den individuellen Bedürfnissen angepasst. Minela Dalipi: „Oft ist die prekäre wirtschaftliche Situation mit aufenthalts- und sozialrechtlichen Themen wie dem Zugang zu Sozialleistungen verknüpft und die wiederum mit den Möglichkeiten am Arbeitsmarkt.“ Auffällig sei zudem, dass rund 90 Prozent der prekär Beschäftigten unter den Ratsuchenden einen Migrationshintergrund haben.

Insbesondere bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen ist im Vergleich zu den Vorjahren ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen. In der Hälfte der Fälle gibt es deutliche Hinweise auf ausbeuterische Absichten der Arbeitgeber, bei einigen davon handelt es sich sogar um mehr als nur eine Ausbeutungsform. Minela Dalipi: „In solchen komplexen Fällen sind gute Beratungsstrukturen und die Zusammenarbeit mit Fachanwälten und staatlichen Institutionen essenziell.“

Drohungen bis in die Privatsphäre hinein

Einen dieser komplexeren Fälle, bei dem es zeitgleich um arbeits-, aufenthalts- und sozialrechtliche Fragen geht, schildert Minela Dalipi etwas ausführlicher: Eine junge Albanerin mit einer Aufenthaltserlaubnis aus Griechenland fand in Deutschland einen Job als Küchenhilfe in einem Restaurant und unterschrieb einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Mit Blick auf den griechischen Aufenthaltstitel versicherte ihr der Arbeitgeber, in Deutschland arbeiten zu dürfen und meldete sie bei der Sozialversicherung und der Krankenkasse an. Eine Anmeldung bei der Ausländerbehörde zur Beantragung eines Aufenthaltstitels nach dem deutschen Aufenthaltsgesetz aber unterblieb.

Wenige Monate später wurde die Arbeitnehmerin schwanger und informierte sofort ihren Arbeitgeber. Weil es eine Risiko-Schwangerschaft war, erteilte ihr die Ärztin ein „individuelles Beschäftigungsverbot“. Ab dem Zeitpunkt setzte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin massiv unter Druck. Noch während ihres Aufenthalts im Krankenhaus erhielt sie die Kündigung mit der Begründung: „Geschäftsaufgabe“. 

Über eine Beratungsstelle für Frauen in Notsituationen fand die Ratsuchende zur BSA, die ihrerseits sofort das Projekt „Arbeitsmigrant*innen stark machen“ des Vereins „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ einschaltete, das Teil des NRW-weiten Netzwerks gegen Arbeitsausbeutung ist und mit EU- und Landesmitteln gefördert wird. Mit fachlicher Unterstützung des dort engagierten Rechtsanwalts Klaus Körner reichte die Ratsuchende sofort Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein. Der Anwalt: „Die Kündigung war zunächst unwirksam, weil der Arbeitgeber keine behördliche Zustimmung zur Kündigung der schwangeren Arbeitnehmerin eingeholt hatte.“ Das aber schreibt der Gesetzgeber im Fall der Kündigung eines Beschäftigten in Elternzeit bzw. einer schwangeren Arbeitnehmerin zwingend vor.

Unmittelbar nach Eingang der Klage drohte der Arbeitgeber der Klägerin telefonisch, sie bei der zuständigen Ausländerbehörde „als illegal eingereiste Person“ zu melden, wenn sie die Klage nicht zurücknimmt. 

Die junge Albanerin ließ sich nicht beirren und informierte die BSA, die zur Entlastung der Frau sofort Kontakt zur Migrations- und Schwangerschaftsberatung sowie zum Psychosozialen Zentrum des Caritasverbandes in Bonn herstellte. Zugleich konnte die Ratsuchende mit Unterstützung der BSA einen Fachanwalt in der Nähe des Wohnorts gewinnen, der die Arbeitnehmerin im arbeitsgerichtlichen Verfahren vertrat. 

Unterstützt durch das Kommunale Integrationsmanagement der Stadt Bonn erfolgte zudem ein erster Termin bei der Ausländerbehörde zur Klärung des Aufenthaltstitels.

Beim späteren Gütetermin wurde klar, dass die Kündigung - so wie von Rechtsanwalt Klaus Körner zuvor korrekt festgestellt - zum angegebenen Zeitpunkt unwirksam ist, da die Arbeitnehmerin in Mutterschutz war. Die Kündigung wird in eine ordentliche Kündigung umgewandelt, bestehende Ansprüche inklusive ausstehende Sozialversicherungsbeiträge sind vom Arbeitgeber zu zahlen.

Fast schien also alles geklärt, doch gleich nach dem Gütetermin suchten Familienmitglieder des Arbeitgebers die Arbeitnehmerin in ihrer privaten Unterkunft auf, drohten der Mutter mit der Einschaltung des Jugendamts und setzten sie unter Druck, eine weitergehende Schadensersatzklage zurückzunehmen. Doch auch jetzt ließ sich die Klägerin nicht einschüchtern und handelte genau richtig: Sie informierte Polizei und Anwalt über das Ereignis. 

Immer auf neuestem Stand

Der Fall zeigt, wie wirksam die Unterstützung der BSA auch in schwierigen Fällen ausbeuterischer Beschäftigung ist. Zugleich wird deutlich, dass funktionierende Netzwerke unverzichtbare Erfolgsfaktoren für die Beratungsstellen Arbeit sind. 

Dazu gehört auch ein guter Zugang zu den Jobcentern und Arbeitsagenturen, die - auch auf Wunsch des MAGS NRW - den BSA als Ansprechpartner in der Region zur Verfügung stehen und ihre Kooperationsbeziehungen zum Beispiel über die Benennung von konkreten Kontaktpersonen oder regelmäßig stattfindende Austauschformate intensivieren. Minela Dalipi: „Das ist in unserem, aber auch im Interesse der Jobcenter und Arbeitsagenturen, da es häufig auch um Sozialbetrug geht. Zum Beispiel dann, wenn Arbeitgeber geringere Löhne zahlen und Beschäftigte dazu anhalten, aufstockende Leistungen in Anspruch zu nehmen. In den Fällen kommt es darauf an, die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen.“ 

Die BSA sieht Minela Dalipi als „Vertreterin unserer Zielgruppe, deren Problematiken wir auch in Netzwerken und Gremien artikulieren. Gleichzeitig versuchen wir, Menschen grundsätzlich für das Thema Arbeitsausbeutung zu sensibilisieren.“ Das geschieht etwa in Integrations- und Berufssprachkursen von verschiedenen Bildungsträgern. Die BSA ist aber auch mit anderen Einrichtungen gut vernetzt und wird häufig für Informationsveranstaltungen angefragt, wie etwa eine Veranstaltung für Eltern in schwierigen Lebenssituationen oder ein Workshop für Frauen gemeinsam mit der Bildungs- und Familieneinrichtung Haus Vielinbusch.

„Sehr hilfreich“ sind auch die regelmäßigen Fortbildungsangebote der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (G.I.B.). Minela Dalipi: „Die dort angebotenen Themen betreffen uns unmittelbar und sind deshalb durchgängig relevant. Zu loben ist vor allem die Kontinuität der Veranstaltungen, weil sich bei Gesetzen und amtlichen Verordnungen immer mal wieder etwas ändert. Mit der Teilnahme an den Fortbildungen sind wir immer auf dem neuesten Stand.“