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Corona-Pandemie: Werkstattjahr beim Kolping-Bildungswerk Leverkusen

Ein Mann steht vor einer Werbetafel

Förderprogramm Werkstattjahr in Corona-Zeiten: Nah dranbleiben trotz physischer Distanz

ESF-Förderprogramm Werkstattjahr im Übergang Schule-Beruf - Jugendliche werden auch in Zeiten der Corona-Pandemie unterstützt

Auf keinen Fall den Kontakt zu den Jugendlichen verlieren - die kontaktreduzierte Umsetzung des ESF-geförderten Programms Werkstattjahr stellt an die Träger einige Herausforderungen. Das Kolping-Bildungswerk in Leverkusen hat ein gutes Lösungspaket gefunden und umgesetzt. Telefon, Email, Messenger-Dienste und Arbeitsmappen unterstützen die präsenzlose Begleitung der Jugendlichen im Übergang Schule-Beruf und erleichtern die Rückkehr im Schichtbetrieb.

ESF-Förderprogramm Werkstattjahr für noch nicht ausbildungsreife Jugendliche - Unterstützung und Begleitung auch in Corona-Zeiten

Von einer Stunde auf die andere war die Bildungsstätte für Teilnehmende geschlossen: morgens noch hatten die Jugendlichen des ESF-geförderten und durch die Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach mit BVB-Pro kofinanzierten Werkstattjahrs beim Kolping-Bildungswerk Leverkusen gearbeitet und gelernt, mittags wurden sie alle nach Hause geschickt. Grund dafür war der „Erlass zur kontaktreduzierten Umsetzung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen“. Eine unvermeidbare Entscheidung in Corona-Zeiten mit erheblichen Folgen für den theoretischen Unterricht, für die praktische Arbeit in der Werkstatt und für die sozialpädagogische Begleitung der Jugendlichen. Erschwerend hinzu kam: Betriebliche Praktika, zentraler Bestandteil des Werkstattjahrs und Voraussetzung für die spätere Integration der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt, konnten nicht stattfinden.

Oberstes Ziel war jetzt: Trotz vorgeschriebener Kontaktreduzierung auf keinen Fall den Kontakt zu den Jugendlichen verlieren. Denn sie, die Jugendlichen aus dem Werkstattjahr, sind auf professionelle Unterstützung und Begleitung angewiesen, weiß Heinz Kappertz, erfahrener Mitarbeiter der Bildungsstätte in einem für die Umsetzung des Werkstattjahrs verantwortlichen Team: „Hier sind Jugendliche, die bislang wenig Glück im Leben hatten. Trotz ihres jungen Alters haben sie krasse, oft traurige Erfahrungen machen müssen. Sie wurden häufig enttäuscht, müssen erst wieder Vertrauen gewinnen und bedürfen der Motivation.“

Dabei hilft das Kolping-Team, zu dem neben Heinz Kappertz auch Werkstattleiter Michael Gallasch und Sozialpädagogin Isabella Perski gehören. Ihr Engagement war gerade jetzt in Corona-Zeiten unverzichtbar, da auch der Schulunterricht an den Berufskollegs ausfiel. Gleich mehrere der Jugendlichen aus dem Werkstattjahr befürchteten, den angestrebten Hauptschulabschluss nach Klasse 9 in diesem Jahr nicht mehr erlangen zu können.

Um das zu verhindern, entwickelte das Team der Kolping-Bildungsstätte binnen kürzester Zeit ein ganzes Paket an Lösungen. Zunächst galt es, die Präsenzkontakte durch intensive Kontakte per Mail und Telefon zu ersetzen. Für Jugendliche, die über keinen Laptop verfügten, organisierte das Team kurzfristig hausintern überzählige Notebooks.

„Parallel dazu“, berichtet Isabella Perski „haben wir in unserer Bildungsstätte einen Messenger-Dienst eingeführt. Über die App können wir die Jugendlichen jederzeit erreichen. Dazu haben wir ihnen vorab telefonisch ganz kleinschrittig erklärt, wie sie den Messenger auf ihrem eigenen Smartphone installieren können.“

Arbeitsmappen zur Online-Bearbeitung

Als Ersatz für den Präsenzunterricht bekamen die Jugendlichen zudem per Post in regelmäßigen Abständen Arbeitsmappen zugesandt. Sie enthielten unter anderem Informationen und Aufgaben zum schulischen Bereich, konkret: zu den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch. Hier zahlte sich die enge Kooperation zwischen Kolping-Bildungswerk und Berufskollegs aus.

Darüber hinaus enthielten die Arbeitsmappen neben Aufgaben zur Berufsfelderkundung fachliche Aufgaben aus den Schwerpunktbereichen „Metall“ sowie „Lager und Handel“. Am heimischen PC mussten die Teilnehmenden etwa abgebildete Werkzeuge erkennen und benennen, die im Metallbau zur Anwendung kommen: das Schneideisen zum Beispiel oder den Gewindebohrer.

Praxisorientiert auch die Aufgaben im Bereich „Messen, Anreißen und Körnen“, grundlegenden Fertigkeiten der Metallbearbeitung. Ausbilder Michael Gallasch: „Jeder Jugendliche hat ein Lineal zu Hause. Also konnten wir ihnen bewusst ganz praktische Aufgaben stellen, die sie auch außerhalb der Werkstatt erledigen können.“  

Eine dritte Rubrik in den Arbeitsmappen bezog sich auf das Thema „Infektionsschutz“. Hier mussten sich die Jugendlichen mit Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung befassen, die sich alle um das Thema „Corona-Pandemie“ drehten und zum Beispiel den Unterschied zwischen Bakterien und Viren erklärten.

Die von ihnen erstellten Lösungen der Aufgaben schickten die Jugendlichen zurück an die Kolping-Bildungsstätte, wo sie begutachtet, bewertet und anschließend mit den Teilnehmenden per Telefon besprochen wurden. Bei diesem Prozedere sollte sich zeigen, wie vorausschauend das Kolping-Team mit der Messenger-Installation gehandelt hatte. Isabella Perski: „Im Normalbetrieb profitieren unsere Teilnehmer vom vis-a-vis in den Präsenzzeiten, denn schriftliche Aufgaben zu lösen, fällt den meisten schwer, weil sie viel zu abstrakt für sie sind. Zudem haben viele Teilnehmende Rechtschreibschwächen. Sie trauen sich nicht, schriftlich erledigte Aufgaben zu verschicken. Da über Messenger auch Sprachnachrichten versandt werden können, war die Rückmeldung der Jugendlichen garantiert. Das Informelle erleichtert die Arbeit mit den Jugendlichen enorm. Hier entsteht Nähe trotz physischer Distanz.“

Ganz ohne physischen Kontakt ging es dann doch wieder nicht. In besonders problematischen Einzelfällen kam es in freiem Gelände zum intensiven face-to-face-Gespräch, selbstverständlich mit Mund-Nasen-Schutz und unter Einhaltung des obligatorischen Mindestabstands.

Konzentration auf Praktika

Mittlerweile sind beim Kolping-Bildungswerk Leverkusen Werkstattbetrieb und Präsenzunterricht wieder in reduziertem Umfang und unter starken Sicherheitsauflagen angelaufen. Schutzmasken und zusätzlicher Gesichtsschutz aus Plastik für den Anleiter sind Pflicht. Außerdem herrscht Schichtbetrieb: Dazu wurden die aktuell zehn Jugendlichen in zwei Klein-Gruppen mit lediglich je fünf Personen eingeteilt, von denen die eine morgens, die andere am Nachmittag in die Bildungsstätte kommt. Das erleichtert die Einhaltung des Mindestabstands.

Zum Gesundheitsschutz wurde das komplette Gebäude in ein System aus Einbahnstraßen umfunktioniert, Ein- und Ausgang wurden voneinander getrennt. Alle Räumlichkeiten werden vor und nach dem Unterricht desinfiziert. Auch auf dem großen Pausenhof ist auf Abstand zu achten. Heinz Kappertz: „Die Jugendlichen halten sich daran.“

Endlich können die Teilnehmenden wieder unter Einhaltung des Abstandsgebots praktisch umsetzen, was sie beim „Home-Schooling“ anhand der zugesandten Aufgaben theoretisch gelernt hatten: Den Bau einer Metallrose zum Beispiel inklusive Blüte und Blättern - ganz manuell mit Hilfe von Schablonen und Blechen, Blechschere und Schweißstab.

Jetzt, wo der Betrieb - wenn auch mit Einschränkungen - wieder angelaufen ist, konzentriert sich alles auf die Suche nach Praktikumsstellen. Im Visier hat das Kolping-Team dabei unter anderem eine große Elektrofirma mit Praktikums- und Ausbildungsplätzen im Lagerbereich. Heinz Kappertz, im Nebenamt Prüfer der IHK, kennt viele Firmen, die in Frage kommen: „Aber wir achten immer darauf, dass es kein Betrieb ist, wo der Inhaber denkt: Der Jugendliche kann bei mir fünf Wochen Praktikum machen und arbeiten, das kostet mich nichts, und dann kann er wieder gehen. Wir wollen nur Betriebe, die auch eine realistische Perspektive auf einen Ausbildungsplatz bieten.“ Eine der Jugendlichen hat jüngst so einen Betrieb gefunden, eine Bäckerei. Jetzt in Corona-Zeiten ist das ein großer Erfolg.

So sieht das auch Albert Schepers, Fachberater der G.I.B. für das Werkstattjahr: „Für ein Förderprogramm wie das Werkstattjahr, das benachteiligte Jugendliche auf eine Berufsausbildung durch praxisorientiertes Lernen in der Werkstatt vorbereiten will, stellt die Corona-Pandemie eine besondere Herausforderung dar. Die jugendlichen Teilnehmer des Werkstattjahres können nicht einfach ins Homeoffice geschickt werden, sie benötigen gerade in der aktuellen Situation praktische Übungsaufgaben und eine intensive Begleitung. Dies erfordert von den beteiligten Bildungsträgern Kreativität und ein hohes Engagement. Wie dies gelingen kann, zeigt das Beispiel der Kolping-Bildungsstätte in Leverkusen.“