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Beratungsstelle Münster (BSA) - Gegen Arbeitsausbeutung

Frau und Mann sitzen sich gegenüber am Tisch

BSA Münster: Beratung erzeugt Handlungsfähigkeit

Die Beratungsstellen Arbeit (BSA) werden aus Mitteln de Europäischen Union und des Landes gefördert

Ein Schwerpunktthema der Beratungsstelle Arbeit im soziokulturellen Zentrum „cuba“ in Münster ist der Kampf gegen Arbeitsausbeutung. So ist es der Beratungsstelle mit Hilfe der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit gelungen, die gesetzeswidrigen Praktiken einer Zeitarbeitsfirma zu beenden. Die Beratungsstelle Arbeit (BSA) in Münster ist beim Paritätischen Wohlfahrtsverband angesiedelt.

Beratungsstelle Arbeit (BSA) in Münster - umfassendes Beratungsangebot

Die mit Mitteln des Landes NRW und der Europäischen Union geförderte Beratungsstelle Arbeit (BSA) in Münster berät zu allen Fragen, die mit Erwerbslosigkeit oder der Jobsuche, mit einer Arbeitsaufnahme oder mit Fortbildungen zu tun haben. Darüber hinaus umfasst das Angebot die Beratung bei arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten sowie bei sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Problemen.

BSA-Mitarbeiterin Judith Appel sieht in der speziellen Beratung ihrer Einrichtung einen großen Vorteil für die Ratsuchenden: „Unsere Beratung ist unabhändig von der Bewilligung oder dem Entzug von Leistungen. So bieten wir den Ratsuchenden einen Raum ihre Pläne offen weiterzuentwickeln und unterstützen bei Problemen mit den Ämtern.“ Dabei ist die Beratung immer selbsthilfeorientiert: "Wir möchten die Ratsuchenden bei der (Wieder-)Herstellung von Selbstbestimmung über die Umstände des eigenen Lebens unterstützen. Dafür ist das eigene Interesse der Ratsuchenden an unserer Beratungshilfe grundlegend."

Ganzheitliche Beratung

Das Team der BSA sieht Arbeitslosigkeit „nicht als Status eines Menschen, sondern als eine von mehreren Phasen im Lauf eines Erwerbslebens.“ Folglich zielt die Beratung darauf, die Übergänge zwischen Phasen des Erwerbslebens zu erleichtern.

Tatsächlich geht es bei vielen Anfragen Ratsuchender darum, bei absehbarem Ende einer Arbeit präventiv den Übergang in neue Arbeit oder eine Qualifizierung zu gestalten oder nach einer Phase der Arbeitslosigkeit wieder in den Job zurückzufinden. Besonders häufig bitten Ratsuchende um Unterstützung im Kontext von Arbeitslosengeld I.

Einen hohen Stellenwert hat auch die Beratung zur Erwerbsminderungsrente oder zu gesundheitlichen Fragen. Judith Appel: „Viele Menschen, die zu uns kommen, haben einen Burn-Out oder stehen kurz davor. In unserer Gesellschaft sind Krankmeldungen oft noch stigmatisiert. Viele Beschäftigte trauen sich deshalb nicht ärztliche Fachpersonen aufzusuchen, sondern arbeiten bis an ihr Limit oder darüber hinaus.“

Dabei beobachten die Beratenden ein bemerkenswertes Phänomen am Arbeitsmarkt: Nach zwei Jahren Corona-Krise geht die allgemeine Arbeitslosigkeit wieder zurück, doch die Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt sich. Während in anderen Fällen mitunter eine punktuelle Unterstützung genügt, kommt es insbesondere bei Langzeitarbeitslosigkeit auf eine ganzheitliche, längerfristige Beratung an, weiß Judith Appel: „Psychosoziale Beratung spielt eine wichtige Rolle. Zugleich stellt sich die Frage nach den genauen Ursachen der Erwerbslosigkeit. Gründe dafür können z. B. auch psychische Erkrankungen, familiäre Herausforderungen oder Diskrimierungserfahrungen sein.“

Präventive und aufsuchende Aktionen

„Trotz unserer zentralen Lage direkt am Bahnhof“, sagt die BSA-Mitarbeiterin, „ist für viele Menschen neben Lohn- und Care-Arbeit sowie sonstiger Alltagsbelastungen der Weg zu uns manchmal zu weit.“

Folglich bietet die BSA ihre Beratung einmal pro Woche im Stadtteilbüro Coerde der AWO Münster an, einem Quartier mit besonders vielen zugewanderten Menschen in prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen.

Weil prekäre Beschäftigung und Arbeitsausbeutung ein flächendeckendes Problem sind, hat sich die BSA Münster mit den regionalen Beratungsstellen aus den Kreisen Warendorf, Steinfurt und Coesfeld zusammengeschlossen. Heute bilden sie ein dichtes Netzwerk im Kampf gegen Arbeitsausbeutung und prekäre Beschäftigung.

Mit ihnen gemeinsam hat die BSA auf verschiedenen Wochenmärkten einen Informationsstand aufgebaut, um die Menschen vor Ort über prekäre Beschäftigung aufzuklären und auf vorhandene Beratungsmöglichkeiten hinzuweisen. Mit Faltblättern und Broschüren in verschiedenen Landessprachen können so auch Menschen erreicht werden, die aus anderen Unionsländern zugezogen sind.

Wer jedoch glaubt, dass nur Menschen aus Südosteuropa von prekärer Beschäftigung betroffen sind, liegt falsch, warnt Christoph Cramer, ebenfalls Mitarbeiter der Beratungsstelle, vor Fehleinschätzungen. „Oft werden auch Menschen ohne Migrationsgeschichte Opfer von Ausbeutung, Lohnbetrug und der Missachtung von essenziellen Rechten der Beschäftigten. Gleichwohl sind Menschen ohne erweiterte Deutschkenntnisse sehr viel häufiger betroffen.“

Zusammen mit der IG BAU Westfalen, den Initiativen „Faire Mobilität“ und „Faire Integration“, der BSA Warendorf und Beratenden der Projekte "Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten" und "Arbeitsmigration fair begleiten" hat sich die BSA Münster zudem an einer Informationsaktion für Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa beteiligt. Judith Appel: „Hier standen die Verteilung von mehrsprachigen Informationsmaterialien sowie ein erster Austausch über die oft mangelhaften und zum Teil menschenrechtswidrigen Arbeits- und Unterbringungsbedingungen im Fokus."

Ausbeuterische Praktiken in der Zeitarbeit

Besonders viele Fälle ausbeuterischer Beschäftigung finden sich nach den Erfahrungen von Judith Appel in den Branchen Gastronomie und Zeitarbeit. Hierfür nennt sie auch einen Grund: Viele Zeitarbeitsfirmen setzen auf die Vermittlung von eingewanderten Arbeitskräften in weniger qualifizierte Stellen. Die Arbeitskräfte sind zunächst froh über ihre Verdienstmöglichkeiten, haben jedoch wenige arbeitsrechtliche Kenntnisse, noch sind sie gewerkschaftlich organisiert - und das wird von Unternehmen nicht selten ausgenutzt: „Hier gibt es eine klare Machthierarchie, die Arbeitsplätze anbietenden Unternehmen sitzen fast immer am längeren Hebel.“

Weil gleich mehrere Ratsuchende aus einer Zeitarbeitsfirma über ausbeuterische Vorkommnisse in ihrem Betrieb berichteten, war sich die Beraterin sicher: „Das sind keine Einzelfälle, das ist ein strukturelles Problem.“ Um dagegen vorzugehen, informierte sie Volker Nicolai-Koß, Regionsgeschäftsführer des DGB im Münsterland, der zugleich Vorsitzender des Verwaltungsausschusses bei der Arbeitsagentur Ahlen-Münster ist. Er bewertete die Lage genauso: „Da ging es um Arbeitsgeräte, die von den Beschäftigten selbst bezahlt werden mussten, um nicht eingehaltene Urlaubsregelungen, um nicht bezahlte Überstunden, um die Umgehung von Mindestlohn. Hier handelte es sich eindeutig um Straftatbestände.“

Kurzum: Ein Fall für die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, denn sie ist in Nordrhein-Westfalen Aufsichtsbehörde für die Verleihunternehmen und Beschwerdestelle für die hier beschäftigten Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer.

Nach Durchsicht der Unterlagen führte die Bundesagentur für Arbeit (BA) in dem Zeitarbeitsunternehmen eine Betriebsprüfung durch. Schnell wurden gesetzeswidrige Praktiken aufgedeckt, so Michael Treiber, Teamleiter „Arbeitnehmerüberlassung“ bei der Regionaldirektion NRW: „So hielt sich der Verleiher nicht an die Pfändungsfreigrenzen der Zivilprozessordnung und kürzte mehreren Leiharbeitnehmern zu Unrecht den Lohn. Außerdem wurden entgegen den Vereinbarungen in den Arbeitsverträgen Lohnabzüge für die vom Arbeitgeber gestellte Arbeitskleidung vorgenommen.“

Daraufhin verpflichtete die BA das Unternehmen, die vorenthaltenen Lohnbestandteile an die Arbeitnehmer auszuzahlen. Das Unternehmen wurde verwarnt und muss im Wiederholungsfall mit dem Entzug der Erlaubnis rechnen. Die Betriebsprüfung kostete den Arbeitgeber zusätzlich Gebühren. Außerdem wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Sicher ist: Das Unternehmen wird in Kürze erneut überprüft.

Aufsichtsbehörde macht Ernst

Michael Treiber: „Die BA nimmt ihre Aufgabe als Aufsichtsbehörde zum Schutz der Beschäftigten in der Leiharbeit ernst. Zeitarbeitsunternehmen werden regelmäßig überprüft. Je nach Schwere der vorgefundenen Verstöße steht uns eine ganze Palette von gesetzlichen Zwangsmitteln zur Verfügung, um die Zeitarbeitsunternehmen auf den richtigen Weg zu bringen. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle gelingt dies auch, so dass Arbeitgeber weiter Arbeit anbieten können und die Zeitarbeitenden gerecht entlohnt werden. Wie in dieser Beschwerdesache konnten in vielen anderen Fällen Nachzahlungen zugunsten der Leiharbeitnehmer durchgesetzt werden. Ist ein Unternehmen völlig uneinsichtig, wird die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung entzogen.“

„Für uns als Gewerkschaft war das Resultat der BA-Intervention natürlich ein toller Erfolg“, resümiert Volker Nicolai-Koß. „Die Mitbestimmungsmöglichkeiten von Betriebsrätinnen und Betriebsräten sind bei Zeitarbeit trotz gesetzlicher Verbesserungen in jüngster Zeit immer noch sehr eingeschränkt.“ Insbesondere vor diesem Hintergrund misst der DGB-Regionsgeschäftsführer den Beratungsstellen Arbeit eine große Bedeutung bei: „Beschäftigte in der Zeitarbeit sind oft Menschen, denen es sehr schwerfällt, sich anderen anzuvertrauen. In diesen Fällen ist die Beratungsstelle Arbeit genau der richtige Adressat.“