Arbeit.Gesundheit.Soziales.
Mit Menschen für Menschen.

Auftaktveranstaltung Beratungsstellen Arbeit

Mann steht auf der Bühne und spricht ins Mikrofon

Fortführung der Beratungsstellen Arbeit in der neuen ESF-Förderphase

Landesweiter Erfahrungsaustausch der Beratungsstellen Arbeit – Teilnahme von Staatssekretär Matthias Heidmeier

Die "Beratungsstellen Arbeit" bieten arbeitslosen und von Arbeitsausbeutung betroffenen Menschen Unterstützung, Beratung und Begegnungsmöglichkeiten. Finanziert werden sie mit Mitteln der Europäischen Union und des Landes Nordrhein-Westfalen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen trafen sich zu einem landesweiten Erfahrungsaustausch in Düsseldorf und wurden von Staatssekretär Matthias Heidmeier (MAGS) begrüßt. Im Mittelpunkt stand dabei die neue Förderphase.

„Am Anfang steht für viele Ratsuchende die Existenzsicherung, erst dann kommt die berufliche Entwicklung“. So beschrieb eine Teilnehmende der Veranstaltung am 02.12.2022 die Reihenfolge beim Unterstützungsbedarf von Ratsuchenden, die in ihre Einrichtung kommen.

Diese prägnante Aussage fand Verständnis bei allen anderen Teilnehmenden wie auch bei Matthias Heidmeier, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, denn er weiß: „Es gibt vor Ort teils erhebliche Armuts- und Existenzprobleme, die niemand negieren kann und bei deren Bewältigung die Beratungsstellen Arbeit die Betroffenen mit Ihrer Expertise und Ihrer Tatkraft unterstützen.“

Steigende Energie- und Lebensmittelpreise, ergänzte er, bringen immer mehr Menschen in unserem Land an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten. Besonders Menschen mit geringerem Einkommen stehen zunehmend vor existenziellen Problemen und er versprach: „Da werden wir etwas tun!“. Dabei nutzte er die Gelegenheit, auf die „Konferenz gegen Armut“ auf Landesebene hinzuweisen.

Keinen Zweifel ließ er mit seinen Ausführungen an der gesellschaftlichen Bedeutung der Beratungsstellen Arbeit. Genau deshalb werden sie auch für weitere drei Jahre bis Ende 2025 mit rund 25 Millionen Euro gefördert und zudem personell aufgestockt. Das ist unvermeidbar, denn unter anderem durch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges ist ein höherer Beratungsbedarf zu verzeichnen.

Für eine kooperative Arbeitsmarktpolitik

Staatssekretär Matthias Heidmeier sah die Einrichtungen aber nicht isoliert, sondern als Teil des landesweiten Netzwerks gegen Arbeitsausbeutung. Die Beratungsstellen Arbeit könnten auch im Rahmen der Fachkräfteoffensive eine Rolle spielen, denn: “Alle werden gebraucht, also auch die Menschen, die zu Ihnen kommen. Wir müssen deren Potentiale sehen!“ Dabei sieht er auch Unternehmen in der Verantwortung: „Die Wirtschaft muss mitmachen!“ Er wünschte sich in diesem Handlungsfeld eine „kooperative Arbeitsmarktpolitik“.

Die Wortbeiträge des Staatssekretärs waren alles andere als ein Vortrag im üblichen Sinne. Er nahm vielmehr aktiv an dem durch Michaela Kohls und Helmut Kleinen von der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (G.I.B.) moderierten Dialog teil und diskutierte auf Augenhöhe mit den Fachleuten aus den Beratungsstellen.

Die vielfachen Anregungen der Beratungsstellen Arbeit für mögliche Weiterentwicklungen lassen sich hier nur exemplarisch wiedergeben: So gelte es zum Beispiel, im Interesse der Ratsuchenden, aber auch zum Nutzen der Wirtschaft über Sprachförderung am Arbeitsplatz nachzudenken sowie bei der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse zügiger voranzukommen und die praktischen Fähigkeiten zugewanderter Menschen stärker zu berücksichtigen als bisher. Der Staatssekretär stimmte zu: „Wir brauchen eine Willkommenskultur, die den Namen verdient, und keine bürokratische Abschreckungskultur.“ Für die Vielzahl an konkreten Denkanstößen seitens der Beratungsstellen bedankte er sich und versicherte: „Sie werden Eingang finden in die politische Diskussion auf Landesebene.“

Online-Beratung und persönliches Gespräch

Informationen zur vergangenen und zukünftigen Programmumsetzung hatte zuvor das MAGS NRW geliefert. Positiv zu vermerken ist demnach, dass Beratungsstellen Arbeit in allen 53 Kreisen und kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen an insgesamt 100 Standorten angesiedelt sind: Damit sei eine flächendeckende Beratung, Unterstützung und Begleitung gewährleistet von arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen, von Beschäftigten, die aufstockende Leistungen in Anspruch nehmen müssen sowie von Berufsrückkehrenden, aber auch von Menschen in prekärer Beschäftigung oder von Personen, die von Arbeitsausbeutung betroffen sind.

Doch oft seien Fälle prekärer Beschäftigung so komplex, dass sie nicht sofort als Arbeitsausbeutung erkennbar sind. Zudem seien Beschäftigte sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, auf Missstände im Betrieb hinzuweisen. Sie fürchten, dass Beschwerden negativ auf sie zurückfallen und letztlich sogar ihren Arbeitsplatz gefährden könnten. Also schweigen sie oder zögern so lange, bis Widerspruchsfristen abgelaufen sind, so dass nicht mehr dagegen vorgegangen werden kann. Umso wichtiger sei die präventive Unterstützung durch die Beratungsstellen.

Eine der großen Stärken der Beratungsstellen Arbeit sei deren Einbindung in kommunale, regionale und überregionale Netzwerke. Allerdings erfordere die Mitarbeit in diesen Kooperationen einen großen Aufwand an zeitlichen und personellen Ressourcen: Das MAGS wisse das zu schätzen!

Hilfreich sei das vom Land geförderte und von „Arbeit und Leben NRW“ durchgeführte Social Media Projekt „Arbeitsmigration fair begleiten“. Das reine Online-Angebot mit großer Reichweite richtet sich vor allem an Menschen aus Südosteuropa, die in Deutschland nicht selten in prekären oder ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen landen. Zugleich richtet sich das Angebot an Arbeitsuchende, die so bereits in ihren Heimatländern über ihre Möglichkeiten und Rechte aufgeklärt werden sollen. In Ergänzung hierzu agieren die Beratungsstellen Arbeit, die persönlichen Präsenzgespräche, aufsuchende Arbeit und in diesem Rahmen noch tiefergehende Begleitung und Unterstützung bieten können.

Positiv seien auch die Erfahrungen mit dem ebenfalls vom Land geförderten „Sprachmittlerpool“ sowie dem „Rechtsberatungspool“. Beide sollen die Arbeit der Beratungsstellen Arbeit erleichtern.

Mehr als 100.000 Beratungen

Die mehrfach angeklungene Bedeutung der Beratungsstellen in der Arbeitsmarktpolitik ist weit mehr als bloße Behauptung. Das konnte die G.I.B. anhand ihrer Monitoring-Ergebnisse belegen. Mehr als 100.000 Beratungen innerhalb von zwei Jahren wurden bereits erfasst, davon drei Viertel ausführliche Beratungen. Mit Abstand die wichtigste Form war dabei die persönliche Beratung.

Die meisten Ratsuchenden, hatte das Monitoring ergeben, waren zwischen 25 und 54 Jahre alt. Zwei Drittel der Ratsuchenden waren arbeitslos, was zugleich bedeutet, dass ein Drittel einer Beschäftigung nachgingen und dennoch - oder gerade deshalb - auf Beratung angewiesen waren.

Ebenfalls aussagekräftig ist die Tatsache, dass die Hälfte der Ratsuchenden ausländischer Nationalität war und zwei Drittel einen Migrationshintergrund hatten. Und: Etwas mehr als die Hälfte aller Ratsuchenden verfügte über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Dass immerhin jede zehnte ratsuchende Person immer noch auf eine Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse wartet, könnte ein weiterer Hinweis auf die notwendige Beschleunigung der Anerkennungsverfahren sein.

Mit über 70 Prozent waren sozialrechtliche Fragen Inhalt der Beratung und 30 Prozent betrafen die wirtschaftliche Situation. In jedem vierten aller Fälle ging es um Jobsuche und berufliche Entwicklung. Zahlen also, die den eingangs genannten Vorrang der Existenzsicherung bestätigten.

Welche Dimension ausbeuterischer Beschäftigung im Wirtschaftsalltag hat, belegte eine absolute Zahl: Mehr als 6.000 derartige Fälle waren Gegenstand der Beratung, allerdings mit extrem großen regionalen Unterschieden, deren Ursachen noch zu analysieren sind.

Gegenstand des abschließenden Vortrags war das Projekt „PABi – Prekäre Arbeit in Bielefeld“, welches vom Träger der Beratungsstelle Arbeit Bielefeld, der Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung (GAB), in Kooperation mit der Fachhochschule Bielefeld durchgeführt wird. Erste Ergebnisse verdeutlichen die nachteiligen Einflüsse von prekärer Arbeit auf die Gesundheit der Betroffenen. Damit zeigt sich einmal mehr, wie sinnvoll der ganzheitliche Beratungsansatz der Einrichtungen ist, der faktisch alle Aspekte des Lebens umfasst. Zudem zielt das Projekt auf den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zwischen allen relevanten Beteiligten und die Erstellung eines regionalen Wegweisers ab, um die Vernetzung der Beratungsangebote weiter vorantreiben und somit schnelle und niederschwellige Hilfe für Betroffene aufzeigen und gewährleisten zu können. Mithilfe des Abschlussberichtes soll ein Transfer der neu entwickelten kommunalen Lösungsansätze und Konzepte ermöglicht werden.