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Junger Mann vor den Stadtwerken Arnsberg

Mit Behinderung - und mit Berufsabschluss

Die vom Land Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union finanzierte "Aktion 100" wird flächendeckend in NRW angeboten. Jährlich stehen 150 Teilnahmeplätze für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger mit Behinderung bereit. Einer der Teilnehmenden war Adrian Lampe. Mittlerweile hat er seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Sein Ausbildungsbetrieb hat ihn unbefristet übernommen.

Aktion "100 zusätzliche Ausbildungsplätze für Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung in NRW" - Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement

Jungen Menschen mit Behinderung kann eine qualifizierte Ausbildung gelingen. Wer daran zweifelt, kann sich mit einem Blick auf den beruflichen Erfolg von Adrian Lampe selbst davon überzeugen.

Der heute 24-Jährige wollte nach dem Erwerb der Fachhochschulreife zunächst Polizist oder Erzieher werden. Doch beide Berufe kamen für ihn nicht in Frage, denn Adrian Lampe ist von der Erb‘schen Parese betroffen, einer Lähmung, die durch die Verletzung von Nervensträngen bei der Geburt entsteht. Seitdem ist bei ihm der Bewegungsradius eines Arms stark eingeschränkt.

Später in der Grundschule machte sich ein zweites Handicap bemerkbar: Epilepsie. Bei dieser Erkrankung ist das Gehirn übermäßig aktiv und sendet sporadisch extrem viele Signale aus. Das kann zu Verkrampfungen bis hin zur Bewusstlosigkeit führen: „Ganz so schlimm ist es bei mir nicht“, sagt Adrian Lampe, „aber einschneidend schon. Es kann passieren, dass ich bei ganz einfachen Tätigkeiten wie etwa dem Hochfahren des Computers verkrampfe und das kann zu einer mehrere Minuten andauernden Verwirrung führen. Anschließend stellen sich starke Kopfschmerzen ein, wie bei einer Migräne.“

Umfassendes Leistungsspektrum

Vor diesem Hintergrund hatte ihn die Agentur für Arbeit bei seiner Ausbildungsplatzsuche auf die „Aktion 100“ aufmerksam gemacht. Teilnehmende Jugendliche schließen dabei ihren Ausbildungsvertrag mit einem Berufsbildungs- oder Berufsförderungswerk in ihrer Region ab. Den praktischen Teil ihrer Ausbildung aber absolvieren sie überwiegend in Unternehmen. Der beteiligte Träger steht den Jugendlichen wie auch dem Betrieb während der gesamten Ausbildung mit Rat und Tat zur Seite.

Für Adrian Lampe war das LWL-Berufsbildungswerk Soest (BBW) zuständig, eine Einrichtung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) zur beruflichen und sozialen Rehabilitation blinder und sehbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener sowie junger Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung.

Ansprechpartnerin hier ist die Fallmanagerin Adelheid Oeser. Sie beschreibt das umfassende Leistungsspektrum ihrer Einrichtung im Rahmen der „Aktion 100“: „Zu unseren Aufgaben zählt zunächst das Akquirieren kooperationsbereiter Ausbildungsbetriebe. Ist deren Bereitschaft vorhanden, übernehmen wir alle weiteren Formalitäten: vom Finanziellen und Organisatorischen bis hin zu den Anmeldungen für die Zwischen- und Abschlussprüfungen. Das entlastet die Betriebe stark.“ In regelmäßigen Reflexionsgesprächen mit den Kooperationsbetrieben informiert sich das BBW über den Ausbildungsverlauf.

Für die Jugendlichen bietet das BBW bei Bedarf Stütz- und Förderunterricht an. Zum Angebot der Einrichtung zählen darüber hinaus psychosoziale Gespräche mit den jungen Menschen, „aber nicht im therapeutischen Sinne“, wie Adelheid Oeser betont, „sondern eher in Form eines individuellen Coachings.“ Auch fachlich kann das BBW die jungen Menschen mit Behinderung unterstützen: „Da wir im Auftrag der Agentur für Arbeit auch selbst ausbilden, arbeiten bei uns von den jeweils zuständigen Kammern anerkannte Ausbilderinnen und Ausbilder im kaufmännischen, technischen und hauswirtschaftlichen Bereich.“

Vorbildliche Inklusion

Nachdem klar war, dass für Adrian Lampe aufgrund seiner Behinderung ein kaufmännischer Beruf am ehesten geeignet ist, entschied er sich für eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement. Nächster Schritt war jetzt die Suche nach einem für ihn passenden Kooperationsbetrieb. Der war schnell gefunden. Warum, das erklärt Adelheid Oeser so: „Wir wissen von den Stadtwerken Arnsberg, dass sie hinsichtlich Inklusion immer vorbildlich agieren. Der gesetzlichen Pflicht für Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen kommen sie immer nach. Eine Ausgleichsabgabe als Alternative dazu, wie es bei vielen anderen Unternehmen der Fall ist, müssen sie also nie zahlen.“

Schnell hatten Adelheid Oeser und Adrian Lampe die Bewerbungsunterlagen erstellt und einen Vorstellungstermin vereinbart, zu dem die Fallmanagerin den Jugendlichen begleitete. Unmittelbar nach einem anschließenden zweiwöchigen Praktikum bekam Adrian Lampe einen Ausbildungsvertrag.

Die rasche Zusage der Stadtwerke war alles andere als eine „Notlösung“ für den Betrieb. Sie resultierte nicht aus der stetig sinkenden Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern um einen Ausbildungsplatz. Grund für die Zusage war vielmehr die von Adelheid Oeser angesprochene Grundeinstellung des Betriebs zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen. Irena Struwe-Filipaja, Personalleiterin der Stadtwerke Arnsberg, kann das nur bestätigen: „Wir sehen es als unsere Aufgabe, jungen Menschen mit Handicap die Chance zu geben, hier bei uns eine Ausbildung zu absolvieren. Als hundertprozentige Tochter der Stadt Arnsberg haben wir auch eine soziale Verantwortung und die nehmen wir wahr.“

Lösungsorientierte Flexibilität

Dabei engagiert sich der Betrieb nicht nur im Moment des Vertragsabschlusses für junge Menschen mit Behinderung, sondern während des gesamten Ausbildungsverlaufs. So auch bei Adrian Lampe. Die Personalleiterin: „Man muss einfach Rücksicht nehmen auf die Behinderung und ein bisschen flexibel sein.“ Und das waren die Stadtwerke Arnsberg bei der Ausbildungsorganisation. Irena Struwe-Filipaja: „Da wir wussten, dass Adrian Lampe aufgrund seiner Epilepsie nicht übermäßig vielen Reizen ausgesetzt sein sollte, hat er die ansonsten für Auszubildende obligatorische Tätigkeit in unserem Info-Point übersprungen. Das ständige Klingeln des Telefons und der andauernde Strom an Kundinnen und Kunden hätten ihn mit ihrer Reizüberflutung überfordert.“

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Auch im Rahmen der „Aktion 100“ gelten für junge Menschen mit Behinderung die Ausbildungspläne der Kammern. Sie sind für alle verbindlich. Doch den Betrieben bleiben Variationsmöglichkeiten und die haben die Stadtwerke Arnsberg genutzt. Irena Struwe-Filipaja: „Zur Ausbildung gehört auch, die Arbeit in unserem Kundencenter kennenzulernen. Dort fallen betriebsbedingt die meisten Arbeiten zum Jahreswechsel an. Da ist eine gewisse Hektik vorprogrammiert. Also haben wir Adrian Lampe in dieser Abteilung ganz bewusst einfach in den Sommermonaten eingesetzt - und schon war das vermeintliche Problem gelöst.“

Im Kollegium wird die Behinderung von Adrian Lampe kaum mehr wahrgenommen, sagt die Personalleiterin, „im Gegenteil, wir haben während seiner Ausbildung im Bereich Marketing zusätzliche Fähigkeiten an ihm entdeckt, etwa dann, als es darum ging, schöne Texte zu erstellen. Das ist ihm immer hervorragend gelungen.“ Außerdem gehören Menschen mit Behinderung bei den Stadtwerken Arnsberg grundsätzlich wie selbstverständlich zum Arbeitsalltag: „Die Kollegin, mit der sich Adrian Lampe das Büro teilt, ist schwerstbehindert und sitzt im Rollstuhl.“

Behinderung kein Hindernis

Kaum eine Überraschung vor diesem Hintergrund, dass Adrian Lampe seine Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer souverän bestanden hat. Darauf hatte er sich im BBW Soest auch gründlich vorbereitet. Die Stadtwerke Arnsberg wussten sein Engagement und seine Leistungsfähigkeit zu schätzen. Personalleiterin Irena Struwe-Filipaja: „Seine Ausbildung bei uns schafft Mehrwert, ist ein Gewinn für unser Unternehmen.“

Jetzt hat der junge Mann einen unbefristeten Arbeitsplatz in der Kreditoren-Buchhaltung. Adrian Lampe: „Mit dem klar strukturierten Aufgabenspektrum ist das genau der richtige Job für mich. Mir macht die Arbeit Spaß und meine Behinderung ist dabei kein Hindernis.“ Und dann sagt er noch einen Satz, der auch von seiner Personalleiterin stammen könnte und typisch für die Stadtwerke Arnsberg zu sein scheint: „Es gibt immer für alles eine Lösung."